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Süden und das heimliche Leben

Süden und das heimliche Leben

Titel: Süden und das heimliche Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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mit der Ilka praktisch nicht gesprochen, und die Ilka hat mit ihr nicht gesprochen. Wofür zahlen wir dir tausend Euro, wenn du auch nichts rausfindest. Das ist doch Beutelschneiderei, ich sammel das Geld gleich wieder ein.«
    »Red keinen Unsinn, Dieda.« Charly kam an den Tisch und blieb neben ihrem Mann stehen. »Ich mach mir genauso viele Sorgen wie ihr alle, die anderen Sachen spielen jetzt überhaupt keine Rolle.«
    Süden sagte: »Welche Sachen?«
    »Die anderen Sachen«, sagte Nickl in sein Glas.
    »Und die anderen Sachen haben nichts mit dem Verschwinden deiner Kellnerin zu tun.«
    »Nein.«
    Süden schwieg.
    Nach etwa acht Sekunden sahen ihn die Männer und Charlotte an, als hätten sie noch nie einen Mann gesehen, der schwieg.
    Süden lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. Diese Leute und in gewisser Weise auch seine Chefin hatten ihn veranlasst, auf nüchternen Magen drei Biere und einen Schnaps zu trinken, und dann hatten sie ihn mit Sachen abgespeist, die ihm nicht schmeckten. Und nun erfuhr er von anderen Sachen, die offensichtlich eine große Rolle gespielt hatten und jetzt nicht mehr. Er war angetrunken und mürrisch. In seinem Magen beschimpften sich Bier und Kaffee, durch seinen Kopf taumelten Gedanken wie durch ein gläsernes Labyrinth. Draußen fiel der Regen auf die Tische, ein kühler Wind wehte zur Tür herein und kehrte vor lauter Rauch wieder um. In regelmäßigen Abständen fuhr auf der Perlacher Straße ein Linienbus vorüber.
    Süden zwängte sich aus der Ecke und stand auf. »Ich brauche frische Luft«, sagte er.
    »Gefährlich«, sagte Viebel.
    »Erzähl ihm von dem Typen, der da draußen gestanden hat«, sagte Ring zu Charlotte. »In der Nacht, weißt schon.«
    »Was für ein Typ?«, sagte Nickl.
    Seine Frau nahm die leeren Gläser in die Hand. »Ein Spinner, der ist auf die Ilka gestanden, hat sich aber nicht reingetraut, sie hat ihn weggeschickt.«
    »Haben Sie der Polizei davon erzählt?«, fragte Süden.
    »Wozu denn? Der ist unwichtig, da ist gar nichts passiert.«
    Ring sah Süden an. »Der Typ hat die Ilka belästigt, das hat sie gegenüber der Charly auch zugegeben, der Ilka war das peinlich. Ich hab ihr gesagt, ich red mit dem, aber die Ilka wollt das nicht.«
    »Aha«, sagte Nickl.
    Unter der Markise legte Süden den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Keine Minute später stand Charlotte neben ihm. Sie rauchte, in der linken Hand hielt sie einen weißen Plastikaschenbecher.
    »Es ist so, Herr Süden.« Sie sprach mit leiser, unsicherer Stimme. »Ich mag hier nicht mehr sein, und mein Mann eigentlich auch nicht. Meine Eltern haben ein Haus in Bad Endorf, da können wir jederzeit einziehen, da ist’s schön. Und das machen wir auch. Wir haben mit der Brauerei schon geredet, und jetzt ist es so: Die Brauerei sagt, sie möchte das Lokal gern erhalten, ob wir wen wüssten, der es übernehmen könnte. Da haben wir beide gesagt, die Ilka, die kann das. Die ist achtzehn Jahre bei uns, und wenn wir mal in Urlaub waren, hat sie den Laden geschmissen, und zwar fehlerlos. Die ist patent, die kann mit den Gästen umgehen, mit den Männern, die ist die geborene Wirtin, das hab ich immer schon gedacht. Wir haben ihr das gesagt, und sie? Zuerst hat sie sich wahnsinnig gefreut, und dann ist sie nachdenklich geworden, hat immer wieder gesagt, sie muss sich das alles noch mal durch den Kopf gehen lassen, die viele Verantwortung, die Büroarbeit. So viel ist das nicht, Herr Süden, das lernt man schnell, kein Problem für die Ilka. Ihre Zukunft ist gesichert. Und genau in dem Moment ist sie spurlos verschwunden. Da stimmt doch was nicht. Irgendwas ist da passiert, und zwar nichts Gutes.«
    »Könnte der unbekannte Mann etwas damit zu tun haben?«
    »Weiß ich nicht. Der ist ein paar Mal aufgetaucht, das kommt schon mal vor, dass nachts irgendwelche Typen hier durch die Gegend schleichen. Ich hatte den Eindruck, die Ilka hat den gekannt, aber beschwören will ich’s nicht. Wieso ist die denn weg? Genau jetzt, wo sie ein eigenes Geschäft hätte? Das ist doch absurd.«
    Die Frau des Wirts drückte ihre Zigarette im Aschenbecher aus. »Sie müssen mir versprechen, dass Sie uns die Ilka gesund und munter wiederbringen. Versprechen Sie mir das?«

[home]
    2
    I lka Senner verschwand am Mittwoch, dem 1 . Juni. So stand es in der Suchmeldung der Kripo. Im Namen ihrer Stammgäste hatten Charlotte und Dieter Nickl die Sechsundvierzigjährige offiziell als vermisst gemeldet. Zwei Tage

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