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Süden und das Lächeln des Windes

Süden und das Lächeln des Windes

Titel: Süden und das Lächeln des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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keiner gesehen und auch sonst niemanden an der Tür der Berghoffs.
    »Nein«, sagte Gilda. »Gestern oder vorgestern. Er kam von der Schule, er hat wieder in der Gegend rumgeballert.«
    »Wie geballert?«
    »Mit seiner Pistole, er hat eine Pistole, die Krach macht und Kugeln rausschießt.«
    »Was für Kugeln?«
    »Kleine silberne Kugeln, aus Kunststoff. Kann ganz schön wehtun, wenn Sie im Gesicht getroffen werden.«
    Sie hatte einen guten Zug, ihr Glas war bereits leer.
    »Timo schießt den Leuten ins Gesicht?«, sagte ich.
    »Manchen Leuten.«
    Sie sah mein Glas an und ich trank es leer. Gilda stand auf. »Noch eins?«
    »Ja.«
    Jetzt bemerkte ich den etwa einen Meter hohen Christbaum in der Ecke neben dem Holzschrank mit den Glastüren, silberne Kugeln baumelten daran und auf der Spitze saß ein weißer Engel.
    »Den stell ich jedes Jahr auf«, sagte Gilda, die mit einem Tablett hereinkam, auf das sie vier Flaschen und zwei frische Gläser gestellt hatte. Sie schenkte ein und schob mir das Glas hin. »Prost… Wie war Ihr Name?«
    »Tabor Süden.«
    »Genau.« Sie trank. Dann lächelte sie für einen Augenblick, und es war eine große Verlassenheit in diesem Lächeln.
    »Auf wen schießt Timo am liebsten?«, sagte ich. Das Bier schien in meinem Magen zu gluckern, ich hatte Hunger und spürte den Alkohol.
    »Wissen Sie das nicht?«, sagte sie. »Waren Sie noch nicht drüben?«
    »Doch«, sagte ich. »Mein Kollege ist gerade bei Timos Mutter.«
    Dann schwieg ich. Gilda umklammerte das Glas mit beiden Händen, bevor sie einen neuen Schluck nahm und mich erwartungsvoll ansah.
    »Er schießt auf seine Mutter?«, sagte ich.
    Sie wartete einen Moment mit ihrer Entgegnung. »Er schießt nicht auf seine Mutter. Er ballert auf sie.«
    Nach einer Weile sagte ich: »Und sie schlägt ihn dann.«
    Auch Gilda sprach nicht sofort weiter. »Sie schlägt ihn, und am nächsten Tag ballert er auf jemand anderen.«
    Wir tranken. Es war angenehm, in diesem warmen Zimmer zu sitzen, umgeben von schneeiger Stille. Vielleicht war es auch die Stille des Eremiten.
    »Wann kommt Ihr Mann nach Hause?«
    »Warum fragen Sie das?«
    »Vielleicht hat er Timo heute gesehen«, sagte ich.
    »Das ist unwahrscheinlich.« Ihr Glas war leer, und sie legte die Hand flach darauf. »Mein Mann ist tot. Ich hab Sie vorhin angelogen.«
    Wir schwiegen.
    »Was ist passiert?«, sagte ich.
    »Hubschrauberabsturz«, sagte sie. »Vor einem Jahr. Nach einer Firmenfeier. Sebastian war Chefingenieur bei BMW, und Testfahrer auch, einer der besten.«
    Ich goss Bier in die Gläser. Wir tranken. Dann lächelte sie wieder, wie vorhin.
    »Hat Timo einen besten Freund?«, fragte ich.
    »Kinder in dem Alter haben lauter beste Freunde«, sagte sie. Sie trank, stellte das Glas hin, hielt es mit beiden Händen fest. »Der Felix Osterwald, mit dem ist er viel zusammen, der hatte auch mal so eine Pistole, die hat ihm sein Vater dann weggenommen. Das sollte Timos Vater auch tun. Aber… er ist ja nie da.«
    »Er macht eine Umschulung«, sagte ich.
    »Er war vorher auch nie da.«
    »Leidet der Junge darunter?«
    »Meiner Meinung nach leidet hauptsächlich die Mutter darunter.«
    Ich schwieg. Wir beendeten die dritte Runde.
    »Könnte Timo sich bei Felix versteckt haben?«, fragte ich.
    Eine der ersten Aktionen bei der Fahndung nach einem verschwundenen Kind bestand darin, dessen Elternhaus auf den Kopf zu stellen, sämtliche Räume vom Keller bis zum Dach zu durchsuchen und alle familiären und freundschaftlichen Beziehungen zu überprüfen.
    »Sein Vater ist Anwalt«, sagte Gilda, »der wird das nicht erlauben.«
    »Ich muss gehen«, sagte ich.
    »Natürlich«, sagte sie und stand sofort auf.
    »Wenn Sie etwas beobachten, rufen Sie mich bitte an!« Ich riss einen Zettel von meinem kleinen karierten Block, den ich immer bei mir trug, und schrieb die Telefonnummer meines Büros auf.
    Draußen fielen nur noch vereinzelt Schneeflocken.
    »Danke fürs Bier«, sagte ich.
    »Viel Glück«, sagte Gilda Redlich.
    Ich hatte mich noch nicht umgedreht, da schloss sie bereits die Tür.
    Inzwischen war es halb zehn, und ich war halb betrunken. Bevor ich die Osterwalds besuchen wollte, kehrte ich zur Nummer siebenunddreißig zurück.
    »Haben Sie was rausgefunden?«, fragte mich Susanne Berghoff an der Tür.
    Sie hatte sich neu geschminkt und wirkte noch nervöser als zuvor.
    »Haben Sie den Freund Ihres Sohnes angerufen?«, sagte ich.
    Sie sah mich an, als hätte ich eine unangemessene Frage

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