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Süden und das Lächeln des Windes

Süden und das Lächeln des Windes

Titel: Süden und das Lächeln des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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gestellt.
    »Ich habe Sie in Ihrem Hotel darum gebeten.«
    »Ich habs vergessen.«
    Ich sagte: »Ich möchte mit meinem Kollegen allein sprechen.«
    Sie ging ins Bad und sperrte die Tür ab. Im Wohnzimmer, das mir überhitzt vorkam, saß Martin am Tisch und hatte mehrere weiße Blätter vor sich ausgebreitet. Er hatte eine große Schrift und die Angewohnheit, viel Luft zwischen den Zeilen zu lassen.
    »Ich hab die Anzeige notiert«, sagte er. »Aber sie ist immer noch nicht überzeugt, wahrscheinlich sagt sie gleich, sie will noch warten. Ich erreich sie nicht. Hast du was erfahren?«
    »Der Junge hat eine Spielzeugpistole, mit der er auf seine Mutter schießt, deswegen schlägt sie ihn«, sagte ich.
    Ich erzählte ihm von meiner Begegnung mit Gilda Redlich, dann las ich seine Aufzeichnungen.
    »Der Junge hat eine Mütze und Handschuhe dabei, er trägt Stiefel und einen dicken Anorak und er hat seine Schultasche mitgenommen.«
    »Er ist gestern Nachmittag nach Hause gekommen«, sagte Martin. »Er ist hier gewesen, sagt die Mutter, er hat das Essen gegessen, das sie vorbereitet hat, Nudeln und Salat.«
    »Sie war im Hotel«, sagte ich.
    »Ja, sie wechselt sich mit einer Nachbarin ab, Frau…« Er warf einen Blick auf seine Notizen. »Frau…«
    »Osterwald«, sagten wir gleichzeitig.
    »Zwei Tage in der Woche bleibt Timo nachmittags bei den Osterwalds, einen Tag ist seine Mutter da und zwei Tage muss er allein zurechtkommen. Früher hatten sie ein Kindermädchen, jetzt nicht mehr.«
    »Sie müssen sparen«, sagte ich.
    »Das hat sie nicht gesagt, sie behauptet, das Kindermädchen ist nach Amerika zurück, wo sie herkam. Ich glaub aber auch, es geht ums Geld.«
    »Der Junge ist viel allein«, sagte ich.
    Martin betrachtete sein Weinglas, das halb voll war. Seine wenigen Haare bildeten ein schimmerndes Nest auf seinem Kopf, er hatte wieder diese dicken, dunkelbraunen Tränensäcke im bleichen Gesicht, und auf seiner rissigen Knollennase sammelten sich Schweißtropfen.
    Überraschenderweise rauchte er nicht, auf dem Tisch lag nicht einmal die grüne Packung. In dieser Wohnung, das roch man, herrschte Rauchverbot.
    Aus dem Badezimmer war kein Geräusch zu hören.
    »Was machen wir mit der Frau?«, fragte Martin mit müder Stimme.
    »Der Junge ist neun«, sagte ich.
    »Wir müssen endlich mit dem Vater reden.«
    »Mach du das«, sagte ich. »Und zwar von hier aus. Ich befrage die Osterwalds. Wir geben die Anzeige ans LKA und warten ab. Immerhin haben wir diese Nachricht.«
    Martin hatte den Zettel in die bedruckte Plastiktüte einer Drogerie gesteckt, die er sich von Susanne erbeten hatte.
    »›Ich komm schon mal wieder, mach dir keine Sorgen‹«, zitierte Martin. »›Ich komm schon mal wieder!‹ Nett gesagt. Fürsorglich.«
    »Ruf den Vater an«, sagte ich.
    Beim Vorbeigehen klopfte ich an die Tür des Badezimmers. »Ich muss noch mal weg, mein Kollege möchte gern telefonieren, bitte geben Sie ihm die Nummer.«
    »Was für eine Nummer?«, hörte ich sie sagen. Es schneite nicht mehr.
    Der Mann trug eine Cordhose und ein Sweatshirt mit zwei schwarzen schrägen Balken auf der Brust und sah mich über seine Halbmondbrille hinweg an.
    »Dann kommen Sie rein, Herr Süden.«
    In der Wohnung roch es nach Tabak, im Flur lagen kreuz und quer Kinderschuhe und Spielsachen, neben dem Wohnzimmertisch mindestens zehn aufgeblätterte Zeitungen. Im Gegensatz zu den Häusern, in denen ich am Falkenweg bisher gewesen war, hatten die Osterwalds Parkettböden und offensichtlich kostbare Perserbrücken. Die Wohnung wirkte heller und luftiger als die anderen.
    »Felix ist schon im Bett«, sagte Frieder Osterwald.
    »Möchten Sie auch einen Tee?«
    »Nein«, sagte ich. »War Timo Berghoff heute bei Ihnen?«
    »Nein«, sagte Osterwald und zeigte auf einen antiken Stuhl mit hoher Lehne.
    »Ich stehe lieber«, sagte ich.
    Osterwald legte die Brille auf eine der Zeitungen, die er auf dem großen, schwarzen runden Tisch ausgebreitet hatte. »Schon ein paar Tage hab ich ihn nicht gesehen. Für welches Dezernat arbeiten Sie?«
    »Dezernat 11, Vermisstenstelle.«
    »Wir machen in der Kanzlei selten Strafsachen, neulich hatten wir mit einem Herrn… Funke zu tun, ein Kollege von Ihnen mit einer… einer Augenklappe…«
    »Funkel«, sagte ich. »Er leitet das Dezernat 11.«
    »Tatsächlich«, sagte Osterwald. »Mein Kollege Gebhard hatte ihn in einem Prozess als Zeuge geladen. Was ist mit Timo? Ist ihm was zugestoßen?«
    »Er ist

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