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Süden und das Lächeln des Windes

Süden und das Lächeln des Windes

Titel: Süden und das Lächeln des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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lächelte auf eine Art, die anrührend war.
    »Hast du auch noch andere Hosen und Hemden?«, fragte sie. »Ich seh dich immer in denselben Sachen, nicht, dass sie mir nicht gefallen würden, ich find sie… ungewöhnlich… für einen Polizisten…«
    Wir drehten uns im Kreis zu einem Song, der, wie uns der Discjockey durch sein Mikrofon mitgeteilt hatte, von einer karibischen Sängerin stammte, die vor kurzem bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war. Unser Tanz passte nicht zum rasanten Rhythmus, aber wir kümmerten uns nicht darum. Wir tanzten schon nicht mehr wegen der Musik.
    »Ich habe zwei von diesen Lederhosen, die an den Seiten geschnürt sind«, sagte ich, »und mehrere weiße Baumwollhemden. Damit komme ich gut durch den Tag.«
    Sie strich mir über den Bauch, nahm die Hand sofort wieder weg.
    »Ich bin übergewichtig«, sagte ich. »Ich habe zu lange Haare für mein Alter und ich rasiere mich nicht gern.«
    »Und du sprichst nicht gern«, sagte sie.
    Zum Beweis schwieg ich. Die karibische Sängerin gab schrille Laute von sich, die klangen, als würden sie von exotischen Vögeln ausgestoßen.
    »Von Paul Weber habe ich gelernt, dass die wichtigste Fähigkeit eines Kriminalisten das Zuhören ist«, sagte ich. Meine Hand umschloss den Abdruck ihres Büstenhalters auf ihrem Rücken.
    »Ich muss was trinken«, sagte sie.
    Wir gingen zurück zum Tisch, an dem Martin und Paul Weber saßen. Sie hatten uns die ganze Zeit beobachtet. Sonja trank Mineralwasser, und ich ging zum Büfett , neben dem ein Aluminiumfass mit Bier auf einem Tischchen stand. Ich zapfte mir ein Glas.
    »Ich muss dauernd an das verschwundene Mädchen und den Jungen denken«, sagte Weber. Zur Feier des Tages trug er ein frisch gewaschenes, weißblau kariertes Hemd und eine offensichtlich kürzlich gereinigte Kniebundhose. Mit seinen geschneckelten Haaren, den buschigen Augenbrauen und dem breiten konturlosen Gesicht hätte ihn jeder für einen gestandenen Bayern gehalten, der stolz auf seinen Freistaat war. Doch der neunundfünfzigjährige Hauptkommissar, der älter aussah, sprach nicht einmal einen ausgeprägten Dialekt, obgleich er ihn beherrschte, mit bayerischer Tümelei hatte er nichts zu schaffen. Er zog die Sachen an, weil er an sie gewöhnt war und seine Frau, die kürzlich gestorben war, ihn darin am liebsten gesehen hatte.
    »Morgen knackst du die Eltern«, sagte Martin, dessen blau und rot geäderte Knollennase wie ein unförmiger Pfropfen in seinem bleichen Gesicht steckte.
    »Mir kommt es vor, als würden jedes Jahr mehr Kinder weglaufen«, sagte Weber. »Früher wären sie gar nicht auf solche Ideen gekommen, sie hätten gar nicht gewusst, wo sie hin sollten, ich wär nicht weiter als bis zur Kirche in unserem Dorf gelaufen, dann hätt ich schon überlegen müssen, wo gehts weiter.«
    »Nach der Statistik hat sich die Zahl nicht erhöht«, sagte Sonja ernst. Sie hatte rote Wangen und müde Augen, und aus ihrer Stupsnase tropfte es gelegentlich.
    »In den letzten fünf Jahren möglicherweise«, sagte Weber. »Ich spreche von früher, als ich jung war. Weglaufen! Ich hab damals schon gewusst, egal, wo ich hinlauf, allein bin ich überall.« Er sah mich an. »Hast du mal dran gedacht abzuhauen, einfach aus dem Fenster zu klettern und weg?«
    »Hat er«, sagte Martin wie aus der Ferne. »Das hat er.« Ich schwieg. Dann lehnte ich mich zurück und verschränkte die Arme. »Ja«, sagte ich. »Ich habe dran gedacht und dann habe ich es getan.«
    »Wann denn?«, fragte Weber, der wirklich überrascht war, weil wir uns in den vergangenen Jahren oft über Dinge unterhalten hatten, über die wir mit anderen nicht redeten, allenfalls er mit seiner Elfriede und ich mit Martin. Vermutlich war er der Meinung, ich hätte ihm von einem so einschneidenden Erlebnis erzählen müssen. Es hatte sich einfach nicht ergeben, und ich dachte nur selten daran. Der Junge und das Mädchen hatten mich darauf gebracht, und der Schnee vielleicht.
    »Ich war zehn«, sagte ich.
    »Und du hast mich nicht eingeweiht«, sagte Martin.
    »So lange kennt ihr euch schon?«, fragte Sonja.
    »Seit der Geburt«, sagte Martin.
    »Und dann habt ihr beide beschlossen zur Polizei zu gehen.«
    »Er hat es beschlossen«, sagte ich. »Ich hatte keine Vorstellung von meiner Zukunft.«
    »Ich hatt auch keine«, sagte Martin, und als er das Weinglas hob, zitterte seine Hand. »Ich hab gedacht, Polizei, das kann nicht schwer sein. Und man muss nicht zur Bundeswehr.«
    »Und

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