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Süden und der glückliche Winkel

Süden und der glückliche Winkel

Titel: Süden und der glückliche Winkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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sich aufgenommen, sie mochte ihn und neigte ein wenig dazu, ihn zu bemuttern, und gelegentlich ließ er sich auf ihre Fürsorge ein. Doch diesmal jagten ihn die Dämonen von einer Bar in die nächste, von einem Tresen zum nächsten, von einer Sackgasse in die nächste. Als er sich auch am Montag noch nicht meldete, klapperte ich einige seiner bevorzugten Kneipen ab, sprach mit den Wirten, die ich kannte, und den Stripteasetänzerinnen und Huren, denen Martin regelmäßig Geld gab, ohne dafür etwas zu verlangen. In manchen Lokalen kam ich zu spät, er war da gewesen, zwei, drei Stunden lang, und dann wortlos verschwunden, und niemand wusste, wo er sich herumtrieb. Ich rief Lilo an, und sie sagte, er habe das Wochenende bei ihr verbracht, und als er sich am Montagmittag von ihr verabschiedete, habe er versprochen wiederzukommen. Sie wusste sofort, dass er, zumindest in dieser Woche, nicht zurückkommen würde.
    »Du musst ihn dazu bringen, zum Psychologen zu gehen«, sagte Sonja und schlug meine Hand eindringlich gegen meinen Oberschenkel.
    »Er lässt sich nicht behandeln«, sagte ich.
    Sonja drückte meine Hand fester, sagte aber nichts.
    Zur Abwechslung übernachteten wir in ihrer Wohnung in Milbertshofen, wohin sie gezogen war, nachdem sie sich von Karl Funkel getrennt und ihre gemeinsame Altbauwohnung in der Elisabethstraße aufgelöst hatte.
    »Niemand außer dir kann ihm helfen«, sagte sie. Ich schwieg.
    Sie hätte sagen müssen: Niemand außer dir könnte ihm helfen.
    Er schaffte es nicht einmal, sich der Geborgenheit unserer Freundschaft anzuvertrauen.
    In diesen Tagen bearbeitete ich fünf aktuelle Vermissungen, zwei davon erledigten sich innerhalb von vierundzwanzig Stunden, bei zweien erhärtete sich der Verdacht, dass sich die Männer, unabhängig voneinander, ins Ausland abgesetzt hatten, und der fünfte Fall betraf einen Jugendlichen, der nach einem Streit mit seinen Eltern wie schon einmal von zu Hause ausgerissen war. Zwar bestritten sowohl der Vater als auch die Mutter, auf irgendeine Weise Druck auf ihren Sohn ausgeübt zu haben, doch nach den Informationen, die ich im Gymnasium erhielt, das der Junge besuchte, stand er ständig unter Stress und musste auf Wunsch oder Befehl seiner Eltern auch am Wochenende zu Hause bleiben und lernen, obwohl bald Ferien und die wichtigsten Klassenarbeiten bereits geschrieben waren. Die Eltern logen mir ins Gesicht. Bei seinem ersten Ausbruch hatte sich der Junge im Keller eines Jugendzentrums versteckt, das leer stand, weil es gerade renoviert wurde. Natürlich fragte ich dort als Erstes nach und durchsuchte die Kellerräume und die Garagen und Schuppen auf den umliegenden Grundstücken. Ich fand keine Spur, niemand hatte den Jungen gesehen.
    Auf dem Rückweg fuhr ich in die Blütenstraße und ging dort eine Stunde lang auf und ab, abwechselnd auf der einen und der anderen Seite. Wieso sollte Cölestin Korbinian nicht ein zweites Mal Nike Horch aufsuchen? Vielleicht hielt er sich sogar in der Nähe auf, in einem der schmucklosen, dreistöckigen Häuser mit den ausgebauten Dachgeschoßen, von denen wenig Blütenhaftes ausging. Die dicht beparkte Einbahnstraße wirkte zwischen den Häusern eigenartig eingepresst. In den kleinen Läden, in denen Textilien, Kunsthandwerk oder gebrauchte CDs und Bücher angeboten wurden, zeigte ich den Verkäufern und Kunden Korbinians Foto.
    Manche erkannten das Gesicht aus der Zeitung wieder, hier in der Maxvorstadt hatten sie den Mann noch nie gesehen.
    An der Ecke zur Türkenstraße hatte einer jener neuen Coffeeshops eröffnet, die sich in jüngster Zeit krakenhaft über die ganze Stadt ausbreiteten. Junge Leute tranken Milch mit Kaffeezusatz aus Pappbechern oder gigantischen Schalen und fühlten sich offensichtlich wohl dabei. Einige dieser in mitteleleganter Schlichtheit gehaltenen Läden schienen derzeit angesagte Kuschelecken zu sein oder zumindest wichtige Treffpunkte für Menschen mit am Kopf festgewachsenen Sonnenbrillen und Camperschuhen an den bloßen Füßen. Vielleicht war ich nur neidisch auf diese Form von Entspanntheit, deren Anblick mir augenblicklich einen mentalen Hexenschuss verursachte.
    Im »Coffee and more« in der Blütenstraße bestellte ich einen Espresso und trank ihn an einem Stehtisch vor der Tür. Ich war der einzige Gast.
    »Hi!«, rief jemand. Ich schaute mich um.
    Noch im Fahren schwang sich Nike Horch von ihrem Rad und blieb außer Atem vor mir stehen.
    »Haben Sie ihn gefunden?«, fragte

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