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Süden und der Luftgitarrist

Süden und der Luftgitarrist

Titel: Süden und der Luftgitarrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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sagte er.
    »Möchten Sie hier auf unsere Fragen antworten oder lieber aufs Dezernat mitkommen?«, sagte Martin beinah sanftmütig.
    »Du bist gut!«
    Er schaute an mir vorbei zur Tür. »Hör mal… Nehmen Sie doch Platz!«, sagte er gestelzt. Ich sagte: »Ich stehe lieber.«
    »Sie wohnen hier zur Miete?«, sagte Martin. Distel verzog den Mund, wippte in den Knien, starrte mich an, meinte aber zunächst Martin, als er loslegte.
    »Jetzt Klartext, die Herren. Ich wohn hier mit meiner Lebensgefährtin, die heißt Haffner, Sibylle…« Er wandte sich an Martin, ohne ihn anzusehen, sein Blick hing wie eine Tarantel an mir. »Doppel-F. Der Aladin ist ein Spezi von uns, aus der Gastronomie, ich hab bei Romano gelernt, der Romano hat die Spieler bekocht, in der Freizeit. In seinem Restaurant. Ja?« Er machte eine Pause, als brauchten wir Zeit, ihm zu folgen. Ich schwieg.
    »Ist was?«, sagte Distel.
    »War Aladin zu der Zeit noch aktiv?«, sagte Martin.
    »Aktiv war der«, sagte Distel. »Aktiv war der in der Reha. Dem gings beschissen! Der war am Ende. Der hat im Rollstuhl gesessen, der ist reingekommen bei uns, da hast du gedacht, da fährt ein Krüppel rein, so fertig war der. Ich hab mit ihm geredet, so war das. Ich hab ihm ein Verständnis gehabt…«
    »Bitte?«, sagte ich.
    Er federte auf und ab und seine Lider flatterten.
    »Sie hatten Verständnis für ihn«, sagte ich.
    »Sag ich doch! Lass mich mal ausreden!« Dann merkte er, dass er mich geduzt hatte und grinste. »Alles klar. Der Aladin, der hat eine Hilfe gebraucht, der hat jemand gebraucht, der ihm sagt, dass er ein Star wird, dass er wieder gesund wird, dass die Scheiße vorbeigeht. Stimmt doch, oder? Andere werden auch wieder fit, die haben auch kaputte Knie und werden trotzdem Weltmeister.«
    »Aladin hat es nicht geschafft«, sagte ich. Distel winkte ab, stutzte und machte ein paar Schritte ins Zimmer. Ich drehte mich um. Aus dem ersten Stock kam eine Frau herunter. Sie hatte einen Jeansrock, Stiefel und einen ähnlichen braunen Pullover wie ihr Freund an und im Gegensatz zu ihm eine eher breite Figur und blonde zerzauste Haare. An jedem Finger trug sie einen Ring, und ihre Nägel waren abwechselnd rot und schwarz lackiert.
    »Das sind die«, rief Distel ihr zu. Ich stellte Martin und mich vor.
    »Ich muss jetzt los«, sagte sie, warf uns einen nebensächlichen Blick zu, stieg auf die Couch und setzte sich auf die Rückenlehne.
    »Sie sind Sibylle Haffner?«, sagte ich. Sie nickte. Ich schätzte sie auf Ende zwanzig, ihn etwas älter.
    »Seit wann kennen Sie Aladin Toulouse?«, sagte Martin.
    »Hab ich ihm alles schon erklärt«, sagte Distel. »Vom ›Romano‹ und so weiter. Und? Was noch?«
    »Haben Sie bei Romano gearbeitet?«, sagte ich zu Sibylle.
    »Ich doch nicht!« Sie hatte die Angewohnheit, die Zungenspitze zwischen den Zähnen hindurchzuschieben und ruckartig zurückzuziehen. »Ich arbeite im ›Melchiorstüberl‹, das ist in Laim, bei der Laimer Unterführung in der Nähe. So. Und wenn ich nicht bald losfahr, krieg ich Ärger, und den brauch ich nicht.«
    »Das ist weit weg«, sagte Martin.
    »Deswegen muss ich auch jetzt los.«
    »Wie viel Miete zahlen Sie?«, fragte ich. Als Sibylle heruntergekommen war, hatte ich meinen kleinen karierten Spiralblock aus der Hemdtasche gezogen. Ich machte mir Notizen.
    Distel sah seine Freundin an, wippte und blinzelte. Sie verzog den Mund, ähnlich wie er vorhin, und schob die Zungenspitze zwischen die Zähne. Ihre Ticks gefielen mir allmählich.
    Martin klopfte mit dem Kugelschreiber auf seinen Block, ich strich mir die Haare aus dem Gesicht. Ich durfte nicht vergessen, sie morgen Früh zu waschen.
    »Unterschiedlich«, sagte Distel schließlich.
    »Im Moment?«, sagte ich.
    »Im Moment!«, sagte er. »Im Moment zahlen wir nichts. Weil…« Er hoffte, seine Freundin würde für ihn einspringen, aber sie schlug bloß die Spitzen ihrer Stiefel aneinander.
    »Sie zahlen nichts, weil Aladin verschwunden ist«, sagte ich.
    »Was heißt verschwunden, Mann?«, stieß er hervor.
    »Verschwunden! Ja klar, verschwunden, er ist weg! Aber wenn er wieder auftaucht, zahlen wir wieder was, stimmt doch, oder?« Er wartete auf eine Reaktion seiner Freundin. Sie nickte. »Wir haben selber kein Geld, und das Haus ist bezahlt, das hat der damals gekauft, das hat er sich leisten können, das hat der praktisch bar bezahlt, da sind keine Schulden mehr drauf.«
    »Wann haben Sie Aladin zum letzten Mal gesehen?«, sagte

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