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Süden und der Luftgitarrist

Süden und der Luftgitarrist

Titel: Süden und der Luftgitarrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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verkehrte. Natürlich hatte sie ihn nie begleitet, und er hatte auch nur von ihnen gesprochen, wenn er stark betrunken war.
    In unserem Dienstopel war es kalt, und wir erreichten den Mittleren Ring, als der Wagen sich langsam erwärmte. Vom Autotelefon aus rief Martin in den beiden Kneipen an, aber niemand hatte Aladin in jüngster Zeit gesehen, genauso wenig wie Edward, sofern die Leute, denen Martin die Beschreibung durchgab, noch fähig waren, ihm zu folgen. Ich sagte: »Versuch die Handynummer.«
    »Das hat doch unsere Schwarzgeldverwalterin schon hundertmal getan«, sagte er. »Das Handy ist kaputt.«
    Bei den nicht einmal dreitausend Euro, die wir monatlich verdienten, wären wir nie in den Genuss von Schwarzgeld gekommen, wobei solche extra verdienten Summen bei uns vermutlich Blaugeld geheißen hätten, weil wir sie keinesfalls bei einer Bank angelegt, sondern in gastronomischen Betrieben auf zügigstem Weg wieder dem pekuniären Kreislauf zugeführt hätten.
    »Wer ist da?«, sagte Martin ins Telefon. »Nein, hier ist Martin, ein Freund von Aladin… Red lauter! Wie heißt du?«
    Er hieß Herbert, und aus Gründen, die wir noch nicht kannten, war er in den Besitz von Aladins Handy gelangt. An diesem Abend, gegen halb elf, stand Herbert am Tresen seiner Stammkneipe in der Schleißheimer Straße, und Martin schrie ihn an, dort zu bleiben. Gewöhnlich fuhren nicht wir vom Dezernat solche Anlaufstellen an, sondern die uniformierten Kollegen von der zuständigen Inspektion. Nur wenn ich eine Vermissung bearbeitete, redete ich mit jedem Zeugen persönlich, ich brauchte ein Gesicht, eine Stimme, Tics und die Bewegungen des Alltags, um mir ein Bild von der Welt zu machen, in der jemand einen leeren Stuhl zurückgelassen hatte, ganz gleich, wie zeitraubend und anstrengend und banal diese Recherchen oft sein mochten, und ganz gleich, wie sehr ich hinterher haarte.

10
    A ndächtig und den Restraum ausfüllend, standen wir an der Tür und hörten dem Lied zu, das aus den Lautsprechern über das Stimmengewirr hinweg in ein bestimmtes Zimmer unseres Herzens drang. Dagegen war nichts zu machen. Ich hatte meinen blauen Ausweis schon in der Hand gehabt, eingezwängt zwischen Männern, denen das Bier beidseitig zu den Ohren herauslief, da begann Dylan mit »Knockin’ on heaven’s door«, und Martin und ich vergaßen unseren Auftrag. Die Trinker glotzten uns an, knapp vier Minuten lang, dann war die Live-Version zu Ende und Donovan kam an die Reihe, was ich als Beleidigung empfand.
    »Bolizei!«, sagte einer der Männer, die dicht gedrängt die Theke belagerten. In einem kleinen Nebenraum mit Tischen entdeckte ich drei Frauen, die lachten und rauchten.
    »Wer ist Herbert?«, sagte ich.
    »Hier!«, rief jemand.
    Eine Frau in einer abgewetzten Kniebundhose aus Wildleder und einer rotweiß karierten hochgeschlossenen Bluse zwängte sich zu uns durch.
    »Ich bin die Wirtin«, sagte sie. »Gibts Probleme?«
    »Nein«, sagte ich. »Kennen Sie einen der beiden Männer?«
    Ich zeigte ihr die Fotos von Aladin und Edward.
    »Freilich!«, sagte sie. »Der da, das ist der Aladin, wo ist der? Der war ewig nicht mehr da.«
    »Genau, der Aladin, wo ist der?« Das Echo kam aus dem Mund eines Mannes, dessen Bauch gegen meinen stieß. Ich versuchte auszuweichen und stieß mit einem Gast zusammen, der hinter meinem Rücken am Tresen lehnte.
    »He!«, machte seine Stimme.
    »Der andere«, sagte die Wirtin und hielt das Foto in die Höhe, als wäre dort oben das Licht besser. »Der andre… Der war da heut! Heut war der da! Gestern auch! Paule! Paule!«
    Paule war ein klein gewachsener Mann um die fünfzig mit einem kahlen Schädel und einer weißen Latzhose voller farbiger Schlieren.
    »Der war doch heut da, der Typ!«, sagte die Wirtin.
    »Oder? Der war doch heut da?«
    Paule warf einen kurzen Blick auf das Bild. »Kann sein. Was ist jetzt, Niki, ich wart auf mein Bier.«
    »Entschuldige, Paule«, sagte Niki und gab mir die Fotos zurück. »Ich verratsch mich immer, das ist eine Krux.«
    »Nein«, sagte ich.
    »Wollen Sie was trinken, die Herren?«
    »Unbedingt«, sagte ich.
    »Ihr Kollege auch?«
    Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass ein Wirt bei Martins Anblick auf die Idee kommen könnte, mein Freund wolle nichts trinken.
    Zwischen den Türen zu den Toiletten wartete Herbert auf uns, mit einem Weißbier in den Händen. Er war vielleicht Ende vierzig und hatte ein rundes Gesicht und große blaue Augen.
    »Sie haben Aladins

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