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Süden und der Luftgitarrist

Süden und der Luftgitarrist

Titel: Süden und der Luftgitarrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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fürchte, nicht.«
    »Sie müssen mir helfen«, sagte Edward und sprang auf und Marga zog die Schnauze ein und duckte sich unter den Schrank. »Niemand weiß was, Sie sind meine letzte Rettung, seit zwei Monaten hab ich nichts von meinem Bruder gehört und sonst haben wir mindestens jeden Monat einmal telefoniert.«
    »Manchmal war ich dabei, wenn er telefoniert hat«, sagte Genoveva zu Martin und mir. Sie hatte drei weitere Flaschen Bier aus dem Kühlschrank geholt und wir tranken sie zügig aus.
    »Er hat von hier aus mit seinem Bruder gesprochen«, sagte ich.
    »Ja.«
    Schließlich hatte sie sich zu Edward an den Tisch gesetzt, das linke Ohr näher bei ihm. Er erzählte ihr, er habe sich mit Aladin verabredet gehabt, doch dieser sei nicht aufgetaucht, habe ihn nicht einmal, wie geplant, am Bahnhof abgeholt. Edward hinterließ eine Nachricht auf dem Handy seines Bruders und hoffte auf eine Nachricht in seiner Pension, deren Adresse er Aladin bereits mitgeteilt hatte. Aladin meldete sich nicht. Dann musste Edward zur ersten Runde des Luftgitarrenwettbewerbs ins »Substanz«. Nachts versuchte er es wieder auf dem Handy, erfolglos. Am nächsten Abend besuchte er seine Mutter, die ihm auch nicht weiterhelfen konnte, wobei er ihr über den engen Kontakt zu seinem Halbbruder nicht das Geringste verriet.
    »Sie sind alle beide Heimlichtuer«, sagte Genoveva. Ich sagte: »Kennen Sie Aladin so gut?«
    »Etwas«, sagte sie und trank und verfiel in Gedanken. Ich griff nach meinem kleinen karierten Block, und Margas Krallen bohrten sich ins Leder meiner Hose.
    »Obacht!«, sagte ich und erhob mich rücksichtsvoll. Mit einem Satz sprang die Katze auf den Boden und blieb wie festgetackert stehen. Ich musste über sie drübersteigen, bevor ich zum Fenster gehen und mich davor stellen konnte. Genoveva sah zu mir her. Die Katze bewegte sich nicht von der Stelle. Dann hob sie den Kopf in Richtung Tisch und schlich aus dem Zimmer.
    »Sie haaren jetzt«, sagte Genoveva Viellieber. Ich sagte: »Was tu ich?«
    »Sie haaren.« Sie zeigte auf meine Hose.
    »Macht nichts«, sagte ich.
    »Was ist?«, sagte sie.
    »Aladin Toulouse hat ein Konto auf Ihrer Bank«, sagte ich. »Aber Sie kannten ihn auch privat.«
    Sie sah mich eine Weile stumm an, als erwarte sie weitere Fragen, dann richtete sie den Blick auf Martin, der jedes Mal, wenn er das Bierglas hob, mit seiner Daunenjacke raschelte. Er machte einen abwesenden, unaufmerksamen Eindruck, der täuschte.
    »Ich weiß nicht, wo Aladin hin ist«, sagte Genoveva Viellieber zu keinem von uns, sie schaute nur die leere Bierflasche an, die vor ihr stand, vielleicht sprach sie zu Herrn Augustiner wie in den Nächten, wenn sie allein war.
    »An Silvester war er noch hier. Bis gegen zehn, dann ist er weg. Den ganzen Dezember war er schon unterwegs, und im November auch schon, immer öfter weg. Immer öfter.«
    »Er hat bei Ihnen gewohnt«, sagte ich. Sie ging nicht darauf ein. »Ich hab ihn nicht gefragt. Er kam im Dunkeln, er ging im Dunkeln. Er hinkt, wussten Sie das? Er ist auf dem Eis gestürzt, er hat sich das kaputte Knie aufgeschlagen, ausgerechnet das kaputte! Und den Ellbogen verstaucht, seine Knochen sind doch sowieso schon alle ruiniert. Das wird wieder, hab ich zu ihm gesagt, das wird wieder, das heilt, das heilt, das heilt.« Hastig drehte sie den Kopf zu mir und schaute sofort wieder weg. »Er hat mir erzählt, wie sie ihn aufgeschnitten und zugenäht haben, und wieder aufgeschnitten, dann war er bei dem berühmten Doktor, zu dem die Fußballer alle gehen, der hat zu ihm gesagt, er müsse sich auf eine andere Zukunft einstellen. Eine andere Zukunft, außerhalb des Fußballplatzes. Er hat in der Nationalmannschaft gespielt, er war ein Talent, ein großes Talent, ich hab die Zeitungen hier, er hat sie mitgebracht.«
    Sie verstummte. Sie wollte sich Bier einschenken, aber die Flasche war leer. Martin goss den Rest aus seiner Flasche in ihr Glas.
    »Aladin ist bei Ihnen eingezogen«, sagte ich.
    Sie drehte den Kopf zu mir. »Wollen Sie sich nicht wieder an den Tisch setzen?«
    Ich sagte: »Ich möchte, dass Sie uns alles erzählen, was Sie wissen.«
    »Ja«, sagte sie. Ich setzte mich wieder, und gerade, als ich die Hand nach dem Glas ausstreckte, sprang Marga auf meinen Schoß, und freudig knurrte mein Magen.
    »Haben Sie Hunger?«, sagte Genoveva. »Soll ich Ihnen ein Brot machen?«
    »Sie können doch gut hören«, sagte ich.
    »Manchmal«, sagte sie. »Das ist eine Gemeinheit. Aber ich

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