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Süden und der Straßenbahntrinker

Süden und der Straßenbahntrinker

Titel: Süden und der Straßenbahntrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Kollegen im Dezernat 11 gehen regelmäßig an einem Nachmittag auf die Wiesn, im Schützenzelt haben sie eine eigene Box und das Präsidium spendiert uns Hendl und Biermarken. Martin und ich sind die Einzigen, die sich weigern mitzugehen, wir betrinken uns lieber in Ruhe.
    Auf dem Balkon stand ein Liegestuhl, und ich setzte mich.
    Silvia war nach draußen gekommen. »Wollen Sie nicht doch was trinken? Sie sehen irgendwie… fertig aus.«
    »Ich bin nicht fertig«, sagte ich. »Ich hab Urlaub. Ich nehm ein Glas Wasser.«
    Sie goss mir ein Halbliterglas voll.
    »Bleiben Sie während des Oktoberfestes hier?«, fragte ich.
    »Ja«, sagte sie. »Ich seh gern zu. Ist doch ein guter Platz hier. Ich bin auf dem Land aufgewachsen, ich genieß es, in der Stadt zu sein, wo was los ist.«
    Ich trank. Sie wich meinem Blick aus. Die Mappe mit den Mietunterlagen hatte sie wieder in die Hand genommen. Ohne zu lesen, blätterte sie darin, es schien, als wollte sie etwas sagen, traute sich aber nicht.
    »Mich geht das nichts an, mit welchem Geld Sie Ihre Miete bezahlen«, sagte ich.
    »Sie schauen aber so aus, als würd Sie das was angehen.« Wir schwiegen.
    Ich streckte die Hand aus, und sie reichte mir die Mappe. Ich merkte mir die Adresse von Bernhard Schulze, die einer gewissen Clarissa Holzapfel tauchte nirgends auf.
    »Wo haben Sie den Vertrag unterschrieben?«, fragte ich.
    »Hier in der Wohnung.«
    »War außer Herrn Schulze noch jemand dabei?«
    »Ja, Frau Holzapfel.«
    Ich gab ihr die Mappe zurück und stand auf. In meinem Bauch brodelte die Leere.
    Silvia hatte die Geräusche auch gehört. »Möchten Sie eine Scheibe Brot?«
    »Nein«, sagte ich. »Warum wollte der Makler, dass an der Tür der Name Holzapfel steht?«
    »Wegen…« Sie zögerte.
    »Wegen der Steuer?«, fragte ich.
    »Ja«, sagte sie erleichtert. »Der Makler hat gesagt, der Name muss dranbleiben. Mir ist das egal, ich schreib ‘c/o’ auf meine Post. Ich wollt nichts sagen, ich wollt unbedingt die Wohnung. Ich hab zwei Jahre lang gesucht, und die meisten Zimmer, die ich besichtigt hab, waren extrem teurer als das hier.«
    »Was zahlen Sie?«
    »Vierhundert.«
    »Das ist extrem billig«, sagte ich. »Vierhundert Mark! Da haben Sie aber Glück gehabt!«
    »Wir haben inzwischen Euro, Herr…«
    »Süden«, sagte ich.
    Das hatte ich wieder einmal vergessen gehabt. Statt der Zahl fünftausend stand neuerdings die Zahl zweitausendfünfhundert auf meiner Gehaltsabrechnung.
    »Sie jobben nebenher«, sagte ich. Sofort verfinsterte sich ihr Blick.
    »Ich weiß nicht«, begann sie. Meine Anwesenheit schien sie langsam in Rage zu versetzen. »Ich weiß nicht… Ich hätt Sie nicht reinlassen müssen, ich mach sonst nie auf, wenns klingelt, die Typen können mich mal, vor allem der Wichtigtuer von nebenan, Ihr Kollege… Ich hab das vorhin nicht verstanden mit dem Holzapfel, der war verschwunden und jetzt ist er wieder da? Und was wollen Sie dann noch? Ich hab Ihnen gesagt, was ich weiß, ich hab Ihnen den Mietvertrag gezeigt, der ist korrekt, und ich finde, Sie sollten jetzt gehen.«
    Ich strich mir die Haare nach hinten und machte den obersten Knopf an meinem Hemd zu. Silvia runzelte die Stirn.
    »Ist Ihnen kalt?«, fragte sie.
    »Nein«, sagte ich. »Entschuldigen Sie die Störung! Ich wollte Sie nicht belästigen.«
    Ich streckte ihr die Hand hin, und sie schüttelte sie.
    »Auf Wiedersehen«, sagte sie.
    Als ich auf den Flur trat, verließ mein Kollege gerade seine Wohnung. Er trug jetzt einen dunklen Anzug und blank geputzte schwarze Schuhe. Er roch nach Rasierwasser. Silvia hatte hastig die Tür geschlossen und von innen abgesperrt.
    »Kleiner Nebenverdienst«, flüsterte er. »Personenschutz, Siemens-Vorstandsfeier, mein Cousin ist dabei, im Vergleich mit dem krieg ich praktisch ein Arbeitslosengeld. Und? Das Mädchen? Illegale Prostitution?«
    »Mich interessiert nur der Vermieter.«
    »Ich find das Mädchen interessanter«, sagte er und hielt mir die Tür zwischen Flur und Treppenhaus auf.
    Kaum hatte ich das Taxi, mit dem ich in die Schleißheimer Straße gefahren war, verlassen, stieg ich in das nächste, zusammen mit Bernhard Schulze, der auf dem Bürgersteig gestanden hatte, als ich angekommen war. Er hatte mich beobachtet, wie ich mehrmals auf den Klingelknopf neben seinem Namensschild drückte. Dann hatte er sich vorgestellt, und ich hatte ihm meinen Ausweis gezeigt, den er ausgiebig musterte. Das Taxi, das er bestellt hatte, kam, und er meinte, wenn ich

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