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Süden und die Frau mit dem harten Kleid

Süden und die Frau mit dem harten Kleid

Titel: Süden und die Frau mit dem harten Kleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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schwieg.
    Ich sagte: »Du kennst Johanns Baum. Du hast damit gerechnet, Johann hier zu treffen. Du suchst ihn. Wie ich . Wir wollen dasselbe.«
    »Garantiert nicht«, sagte sie. Dann kramte sie in ihren Taschen und holte eine Packung Zigaretten und ein billiges Feuerzeug hervor. Sie rauchte mit ineinander gelegten Händen, als würde sie an einem Joint ziehen. Den Rauch sog sie tief ein, die Lippen zusammengepresst, die Augen geschlossen.
    »Warum ist Johann verschwunden?«, fragte ich. »Du weißt es, Liane.«
    »Nein«, sagte sie.
    Die Antwort war viel zu schnell gekommen, ich vermutete, sie kannte die Gründe. Ich täuschte mich, wie du heute weißt.
    Ich streckte meinen Arm nach ihr aus .
    »Steh jetzt auf, Liane!«, sagte ich. Sie reagierte nicht.
    »Steh auf!« Ich nahm meine Hand nicht weg. Endlich griff sie nach ihr, und ich zog sie hoch. Und bevor sie sich wieder entfernen konnte, schlang ich beide Arme um sie und drückte sie an mich. Vor Schreck fiel ihr die Zigarette aus der Hand.
    Es war nur eine Geste, ein wenig hilflos vielleicht, aus der Not entstanden, der Not des Schweigens und der Verirrtheit, in der wir beide uns befanden .
    Mit dem Kinn berührte ich ihre kahle Schädelhälfte, die eiskalt war, so wie ihre Hand, die ich festhielt. Eine Mischung aus Leder- und Modergeruch ging von ihrem Mantel aus, und ich spürte durch ihn hindurch, wie dürr sie war.
    Sie hatte den Kopf gesenkt, als wolle sie in meine Lederjacke tauchen und sich wärmen. Aber das bildete ich mir nur ein. Schon stieß sie mich weg, warf mir einen ihrer zorneswilden Blicke zu und machte einen Schritt von mir weg.
    »Du musst mir helfen, Liane«, sagte ich .
    Sie wandte mir den Rücken zu. Dann blickte sie um sich, bückte sich und hob die halb gerauchte Zigarette auf. Sie blies sie an, um sie entweder vom Schmutz zu säubern oder die Glut von neuem zu entfachen, was ihr nicht gelang. Sie steckte sich die Zigarette zwischen die Lippen und holte ihr Feuerzeug aus der Tasche. Nach dem ersten Zug stieg sie die Stufen zur Wiese hinunter .
    »Ohne deine Hilfe finde ich ihn nicht«, sagte ich in ihrem Rücken.
    Je mehr der Himmel sich aufhellte, desto kälter wurde es .
    »War die Eiche einer eurer Treffpunkte?«, fragte ich.
    »Nein«, sagte sie mit heiserer Stimme. Der Rauch schwebte in Schlangenlinien um ihren Kopf, sie zog an der Zigarette, ließ sie danach im Mundwinkel hängen .
    »Wie lange suchst du Johann schon?«, sagte ich .
    Ich machte einen Schritt von der Säule weg, und sie wich zurück. Im ersten Moment dachte ich, sie würde wieder losrennen. Doch dann drehte sie sich um und ließ mich nicht aus den Augen, während ich die Stufen hinunterstieg .
    Wortlos standen wir uns gegenüber.
    »Wie lange?«, fragte ich.
    »Wie lange was?«, sagte sie. Sie meinte es trotzig, aber es klang angestrengt, gelangweilt. Anscheinend kämpfte sie mit sich, mir etwas anzuvertrauen. Immerhin hatten wir dieselbe irre Idee verfolgt, die uns hierher geführt hatte.
    Sie schüttelte den Kopf .
    »Ich hab gehört, du singst gern«, sagte ich .
    Ihr Kopf schnellte in die Höhe.
    »Wer sagt das?«
    »Ein Nachbar in der Bauerstraße, mit dem du mal geredet hast.«
    »Ich hab mit niemand geredet!«
    »Mit dem Zitherspieler«, sagte ich .
    »Scheißbänker«, sagte sie, spuckte den Stummel aus und kickte ihn mit dem Stiefel in den Dreck .
    »Woher weißt du, dass er auf einer Bank arbeitet?«
    »Hat er mir erzählt, er hat gedacht, mir imponiert das, ich geh dann zu ihm in die Wohnung oder so was, der ist doch krank!«
    Ich sagte: »Ich kann trommeln.«
    Sie lachte kurz auf und wieder musste sie laut husten, wie vorhin .
    Ich sah sie an.
    Nachdem sie zu Ende gehustet, ausgespuckt und mit einer verächtlichen Grimasse Luft zwischen den Lippen hervorgepresst hatte, zuckte sie mit den Achseln, erst mit der einen, dann mit der anderen. Sie schob ihren Oberkörper vor und zurück, und ihre Bewegungen hätten zu einem motorisch gestörten Kind gepasst. In sich versunken, hampelte sie weiter herum, bis sie abrupt damit aufhörte.
    Sie richtete sich auf, ballte die Fäuste, ließ die Arme herunterhängen und hob das Kinn .
    »Sie haben keine Ahnung«, sagte sie mit großem Ernst in den Augen. »Sie wissen nichts.«
    Vor lauter Mühe um Eindringlichkeit fing sie an, mich zu siezen. »Ich kann Ihnen nicht helfen – und Sie mir nicht, ist das klar? Ich möcht Sie nicht mehr wieder sehen, nie mehr, ich kann alleine suchen, ich find meinen Vater alleine,

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