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Süden und die Frau mit dem harten Kleid

Süden und die Frau mit dem harten Kleid

Titel: Süden und die Frau mit dem harten Kleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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kapiert?«
    Sie hatte sich versprochen. Sie hatte sich verraten. Und nun stand sie da, mit vor Schreck geöffnetem Mund, ihre Wangen steingrau, und brachte keinen Ton mehr heraus .
    Man hätte meinen können, sie würde gleich schreien oder sie schrie bereits, und man hörte es nicht, weil sie hinter einer unsichtbaren Glasmauer schrie .
    Tatsächlich erschien mir ihr ganzer Körper wie ein einziger schrecklicher Schrei, jeder Zentimeter, jeder Arm, jedes Bein, jedes Schulterblatt von einem gewaltigen Ausbruch erschüttert, der nur deshalb nicht zu sehen war, weil er von einem Mantel aus Stahl unter Verschluss gehalten wurde. Von ihrem halb kahlen Kopf bis hinunter zu den Schnürstiefeln rollte ein Beben durch sie hindurch, verschonte keine Ader, keine Vene, keinen Muskel, riss sie scheinbar von innen her in eine maßlose Tiefe, und es blieb ihr nichts als mit einem lauten Röcheln die Tränen zu ertragen, die aus ihren Augen strömten und ihr Gesicht überschwemmten, ihren Mantel und den Platz, auf dem sie stand. Rotz spritzte aus ihrer Nase, Speichel tropfte aus ihrem Mund, sie keuchte und würgte und wurde von einem Schluckauf geschüttelt, der so stark war, dass sie mit den Armen schlenkerte .
    Minutenlang versank das Mädchen in einem Strudel von Selbstauflösung. Ich sah, wie sie vor meinen Augen verschwand, und als ich sie wieder in den Arm nehmen wollte, erreichte ich sie nicht .
    Ich erreichte dich nicht.
     
    Jetzt bist du keine »dritte Person« mehr. Anders hätte ich bis zu diesem Punkt nicht über dich schreiben können, du warst eine Fremde, eine zufällige Begegnung, eine Zeugin, jemand, der uns Auskünfte hätte erteilen können, dessen Name in einem Polizeiprotokoll auftauchte und irgendwann zu den Akten gelegt worden wäre .
    Liane. Die Buchstaben deines Familiennamens schriest du mir einzeln entgegen, da warst du schon zehn Meter weit entfernt und auf der Flucht vor mir, vor dir, vor dem Ort, der dich entlarvt hatte, dem kleinen korinthischen Tempel, dessen Vorbild der Feuergöttin Vesta zugeeignet gewesen sein soll.
    Ohne dich hätte ich mich niemals mit diesen Dingen beschäftigt, dank dir habe ich vieles über diese Stadt erfahren, aus der ich nicht entkomme und in der ich Menschen suche, die dies ebenfalls nicht schaffen .
    Oder hat dein Vater es geschafft? Wollte er überhaupt entkommen? Nach allem, was er erfahren hatte?
    Nur langsam hattest du dich wieder beruhigt. Du hieltst die Luft an und wischtest dir mit dem Ärmel das nasse Gesicht ab, nach und nach verebbte dein Schluckauf, und endlich hast du dir wieder eine Zigarette in den Mund gesteckt.
    »Weiß er, dass er eine Tochter hat?«, fragte ich. In seiner Familie und seinem Bekanntenkreis wusste es niemand .
    Erst nach einigen gierigen Zügen gabst du mir eine Antwort.
    »Ich wollte es ihm sagen. Obwohl ich meiner Mutter versprochen hab, dass ichs nicht tu. Sie hat mich drum gebeten, sie hat gesagt, wenn ichs ihm sag, dann möcht sie dabei sein. Ich wollt es ihm aber sagen, ich fand, er hat ein Recht darauf. Ich existier ja jetzt für ihn, und meine Mutter hat mir seinen Namen gesagt, also existiert er auch für mich. Aber dann hab ich ihn nicht mehr gesehen, sonst haben wir uns dauernd getroffen, in der ›Sieben‹ oder bei ihm zu Haus. Ich hab ihn mir zuerst angeschaut, verstehst du? Ich wollt rauskriegen, wie mein Vater so ist. Er ist okay, das hab ich gleich kapiert, auch wenn er dauernd gesoffen hat. Ich hab auch gesoffen, ist das ein Erbstück? Kann sein. Saufen kann man erben, hab ich mal gelesen. Wir haben uns gleich gemocht, er und ich, der Hanse. Aber ich hab Johann zu ihm gesagt, so wie er richtig heißt. Johann. Er hat mich gefragt, ob er Lili zu mir sagen darf. Hab ich Nein gesagt. Meine Mama sagt Lili zu mir und meine Freundinnen, eigentlich alle, bei ihm wollt ich das nicht. Verstanden? Das wars. Ich hab ihn nicht mehr getroffen, konnt ihm nicht mehr sagen, wer ich in Wirklichkeit bin, er war schon weg .
    Scheiße. Ich bin jeden Tag nach Schwabing gefahren, ich hab gedacht, der muss doch da sein. War er aber nicht .
    Seine Kumpels hatten auch keine Ahnung. Er hat seinen Job geschmissen, was bedeutet das? Scheiße, ich werd ihn schon finden, und dich brauch ich dazu nicht, ich brauch keine Bullerei, das ist eine Familienangelegenheit, kapiert?«
    »Seit wann weißt du, dass Johann Farak dein Vater ist?«, fragte ich dich.
    »Seit Sommer, meine Mama hat einen schweren Unfall mit dem Fahrrad gehabt, ein Lastwagen hat sie

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