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Süden und die Schlüsselkinder

Süden und die Schlüsselkinder

Titel: Süden und die Schlüsselkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Er sah sie an, und sie zwang sich dazu, nicht wegzuschauen.
    »Der ist ein Freund vom Adi. Georg, glaub ich, heißt der.«
    »Georg? Oder Gregor?«
    »Weiß nicht. Kann schon sein, dass er Gregor heißt. Kennen Sie den?«
    »Ob ich den kenne?« Er wusste nicht, was er von Fannys Aussage halten sollte, schaute in den Rückspiegel. Auf der Hauptstraße fuhren vereinzelt Lastwagen vorüber.
    Verwirrt legte Richter wieder die Hand auf Fannys Bein, drückte aber weniger fest zu als beim ersten Mal. Das Mädchen blieb wachsam. Diesmal wollte sie sich nicht von einer Ohrfeige überraschen lassen.
    Wachsam zu bleiben, hatte sie zu Hause gelernt. Nach der langen Zeit im Zeno-Haus hatte sie es fast vergessen.
    »Und wieso treffen die sich da draußen?«, sagte Richter. »Der Kerl wohnt in Haidhausen. Hast du dich verhört? Hat er Haidenauplatz gesagt? Obwohl der auch zu weit weg wär.«
    »Halligenplatz«, sagte Fanny und ballte die Fäuste. »Die haben da was zu besprechen.«
    »Was denn, verflucht?«
    »Das hat er mir nicht verraten. Er musst’ nur ganz schnell weg heut Morgen. Er hat gesagt, der Georg oder der Gregor kann ihm helfen, sonst niemand. Niemand auf der Welt.«
    »Der Bulle ist ein Arschloch, der hat unseren Sohn manipuliert, und angefasst hat er ihn auch. Der gehört weggesperrt, so einer ist das.«
    »Dann ist der Adi in Gefahr?« Fanny legte ihre rechte Faust auf Richters Hand, die immer noch auf ihrem Bein lag. »Dann müssen wir ihn schnell finden und befreien. Fahr los, bitte, fahr los.«
    Richter betrachtete die kleine blasse Hand auf seiner, schmatzte, zog seine Hand weg. »Wenn das stimmt, was du sagst, kriegt die Isar heut jemand anderen zu fressen.«
    »Das stimmt, was ich sag.« Fanny zog die Beine unter ihren Po. »Machst du bitte die Heizung wieder an?«
    »Na also, du kannst ja normal bitte sagen, wenn man dich richtig erzieht.«
     
    Adrian hörte Schritte und presste beide Hände auf seinen Mund.

[home]
    14
    V on der breiten Straße zwischen den unzähligen Geschäften, Autofirmen, Werkstätten, Supermärkten und Tankstellen kannte Fanny den Namen: Wasserburger Landstraße. Das Wort Wasserburg hatte sie sich sofort gemerkt.
    Daran durfte sie jetzt nicht denken. Ein anderer Name war jetzt wichtig: Gregor. Und das Wichtigste: Adi hatte ihr erzählt, dass er Gregor am Halligenplatz treffen wollte, heute, also gestern. Warum die beiden sich trafen, hatte er nicht gesagt. Und es war ganz sicher der Halligenplatz, kein anderer. Das war die Wahrheit. Adis Vater wusste Bescheid, weil sie ihm die Wahrheit gesagt hatte.
    Hundertmal fragte er sie während der Fahrt quer durch die Stadt: »Hast du die Wahrheit gesagt? Ist das wahr, was du mir da erzählst?« Ja, sagte sie jedes Mal, das ist wahr. Sie wiederholte den Satz, sooft er wollte.
    Sie fuhren auf einer der Ringstraßen und durch weitere Tunnels. Irgendwann bogen sie in die Wasserburger Landstraße ein. Fanny sah den Pfeil auf dem bunten Bildschirm, der sich weiter vorwärtsbewegte.
    Für Ludwig Richter war die Gegend kein unbekanntes Gebiet. In der Damaschkestraße, die von der Wasserburger abzweigte, hatte sein Freund Michi seine Niederlassung mit angeschlossener Werkstatt. Dort, dachte Richter an der Kreuzung, stand entspannt sein BMW und war für die Polizei unsichtbar.
    Von Anfang an war Richter überzeugt gewesen, dass im St.-Zeno-Weg kein Mensch das schwarze Auto würde beschreiben können, schon gar nicht die Erzieherinnen. Bis die sich aufgerappelt hatten – das war ihm schon klar, als er das Mädchen ins Auto bugsierte –, war er aus Giesing längst verschwunden.
    Und was die Drohung anging, das Mädchen in die Isar zu werfen, falls sie versuchen sollte, ihn auszutricksen – die war zuerst nur ein Witz für ihn. Er hätte das Mädchen ordentlich verprügelt und sich dann der Polizei gestellt, was blieb ihm übrig? Er hatte keine Lust wegzulaufen, sich zu verstecken, sein Bild in der Zeitung zu sehen. Vorher würde er noch eine halbe Flasche Wodka trinken, damit war die Sache klar: Er befand sich in einem Ausnahmezustand, schwerer Alkoholgenuss, Frau weggelaufen, Kind weggelaufen, Ärger in der Arbeit, und das alles zwei Tage vor Weihnachten. Komplett neben der Kappe, das verstand jeder. Mit dem richtigen Anwalt würde sich das regeln lassen. Er war das Opfer, dachte Richter und nickte, er, nicht das Mädchen. Er war derjenige, dem sämtliche Kulissen wegbrachen. Schauen Sie sich meine Frau an, würde er zur Polizei sagen, wie geht

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