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Süden und die Schlüsselkinder

Süden und die Schlüsselkinder

Titel: Süden und die Schlüsselkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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gelben Couch unter dem Fenster, in einem frisch gewaschenen blauen Pullover und Jeans. Um den Hals hatte er Südens grauen Schal geschlungen. Mit seinen ungekämmten roten Haaren und dem müden Gesichtsausdruck sah er aus, als sei er soeben aus dem Schlaf gerissen worden. Neben ihm auf der Couch stand ein Teller mit den von den Kindern selbstgebackenen Keksen. Adrian aß einen nach dem anderen, bis der Teller leer war.
    Auf die Fragen der Kommissare antwortete er einsilbig. Zwischendurch warf er einen Blick zur Tür, und Süden hatte den Eindruck, Adrian würde nur wegen ihm noch durchhalten, anstatt endlich zu schlafen und erst wieder aufzuwachen, wenn Weihnachten war.
    Schließlich erhoben sich die Kommissare. Einer sagte: »Dann schicken wir einen Vermisstenwiderruf ans LKA, und die Sache ist erledigt. Du hast uns einen Schrecken eingejagt, Adrian.« Der andere sagte: »Mit deiner Freundin Fanny müssen wir noch ein ernstes Wort reden.«
    »Die hat nichts gemacht«, sagte Adrian.
    »Sie hat uns alle in die Irre geführt«, sagte Ines Hermann. »Sie hat uns belogen und ein übles Spiel getrieben. Darüber werden wir noch sprechen müssen, Adrian. Herr Süden hat die ganze Nacht nach dir gesucht, wir haben uns die größten Sorgen gemacht. Ich finde, du solltest uns endlich erklären, warum du das getan hast. Was du den Kommissaren erzählt hast, fanden wir alle nicht sehr aufschlussreich. Bitte gib uns nur eine einzige klare Antwort. Ich glaube nämlich, du verheimlichst uns immer noch etwas. Unsere Kolleginnen vom Jugendamt werden dich auch befragen, wenn du weiter so verstockt bist. Du kannst uns vertrauen, das weißt du.«
    Adrian leckte die Spitze seines Zeigefingers ab und tippte auf die letzten Krümel auf dem Teller und steckte den Finger in den Mund. »Die Fanny hat gar nichts angestellt«, sagte er noch einmal. »Ich hab ihr gesagt, sie soll den Schlüssel holen und absperren. Sie hat nur gemacht, was ich gesagt hab. Ich bin nicht schuld, dass mein Papa die Fanny entführt hat.«
    »Das bist du nicht.« Yasmin Ebert hatte bisher noch kein Wort geäußert.
    »Genau.« Adrian rieb mit dem Finger über den Teller und wich dem dunklen Blick der Erzieherin aus.
    »Was würdest du jetzt am liebsten tun?«
    Ihre Vorgesetzte warf Yasmin einen tadelnden Blick zu, für sie kam diese Frage zum falschen Zeitpunkt.
    »Sterben«, sagte Adrian.
    Und wie vor einigen Stunden im Hotelzimmer von Hannah Richter glaubte Süden, den Schnee fallen zu hören.
     
    Adrian rieb immer noch mit dem Finger über den leeren Teller.
    Ines Hermann wollte gerade zu ihm gehen, da hob der Junge den Kopf. »Ich bin doch schuld, dass mein Papa die Fanny entführt hat und dass der Polizist auf ihn geschossen hat und dass er vielleicht stirbt und dass meine Mama in einem Hotel ist und nicht mehr zu Hause. Wenn ich tot bin, bin ich nicht mehr schuld.«
    Süden durchquerte das wortlose Sätzesuchen der anderen – die beiden verstummten Kommissare hatten sich nicht wieder hingesetzt –, stellte den Teller von der Couch auf den Boden und nahm neben Adrian Platz. Er legte den Arm um den steif dasitzenden Jungen, ließ Zeit vergehen.
    »Du bist nicht schuld«, sagte er und sah ihn dabei an.
    Der Junge schaute auf seine Finger, die auf seinen Knien Sachen machten, ineinander, miteinander, aufeinander.
    »Dein Vater ist schuld, dass er angeschossen wurde, das habe ich dir schon erklärt. Deine Mutter wohnt einstweilen in einem Hotel, weil sie Angst vor deinem Vater hat, und nicht, weil sie vor dir weggelaufen ist. Du wohnst hier auch in einer Art Hotel, so habt ihr etwas gemeinsam, deine Mama und du. Und dein Papa ist ganz allein für Fannys Entführung verantwortlich, du bestimmt nicht, auch nicht die Ines, Karla oder Yasmin, niemand hat Schuld außer deinem Vater. Vielleicht denkt er im Krankenhaus nach und begreift, was er getan hat. Du hast dich im Keller einsperren lassen, weil du die Vorstellung schön fandst, dass jemand nach dir sucht. Davon verstehe ich etwas, ich habe mein halbes Leben lang nach Verschwundenen gesucht, und viele von ihnen sind nur fortgegangen, damit sie endlich wieder von jemandem bemerkt werden. Auf einmal buchstabieren Leute wieder deinen Namen, wissen wieder, wie du eigentlich heißt, denn du wurdest schon ewig nicht mehr mit Namen angesprochen oder warst schon lange nicht mehr gemeint, wenn dein Name fiel, auf der Straße oder in einem Zimmer. Du kamst dir vor, als wärst du unsichtbar, und da dachtest du: Wenn mich

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