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Südlich der Grenze, westlich der Sonne

Südlich der Grenze, westlich der Sonne

Titel: Südlich der Grenze, westlich der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Falls es nötig wurde, konnte ich mir noch immer etwas überlegen. Mein größtes Problem war im Moment Shimamoto.
    »Wie ist es bei dir? Wenn du heute nicht nach Tokio zurückkommst?«, fragte ich.
    Sie schüttelte den Kopf. »Um mich brauchst du dir keine Gedanken zu machen«, sagte sie. »Das ist kein Problem. An dich müssen wir denken. Du bist es, der in eine heikle Lage gerät.«
    »Vielleicht. Aber mach dir deshalb keine Sorgen. Noch ist der Flug ja nicht abgesagt.«
    »Ich wusste, dass so etwas passieren würde«, sagte sie leise, wie zu sich selbst. »Kaum tauche ich auf, geht etwas schief. Alles läuft reibungslos, bis ich komme. Plötzlich geht alles daneben.«
    Ich setzte mich auf eine Bank in der Halle. Falls der Flug gestrichen wurde, musste ich Yukiko anrufen. Ich ließ mir verschiedene Ausreden durch den Kopf gehen. Aber sie wirkten alle an den Haaren herbeigezogen. Ich hatte gesagt, ich sei mit meinem Schwimmverein unterwegs, und jetzt war ich auf einmal auf dem Flughafen von Ishikawa eingeschneit. Dafür gab es keine vernünftige Erklärung. »Als ich aus dem Haus ging, überkam mich plötzlich der unwiderstehliche Drang, das Japanische Meer zu sehen, also fuhr ich nach Haneda und stieg ins Flugzeug.« Idiotisch. Lieber den Mund halten oder am besten gleich die Wahrheit sagen. Unterdessen wurde mir mit Schrecken klar, dass ich in Wirklichkeit sogar hoffte, der Flug würde ausfallen. Ich wollte hier eingeschneit werden und nicht nach Hause können. Insgeheim wünschte ich mir, meine Frau würde erfahren, dass ich mit Shimamoto hierhergekommen war. Ich wollte mir keine Ausreden ausdenken und auch nicht mehr lügen. Alles, was ich wollte, war, mit Shimamoto hierzubleiben. Und den Dingen ihren Lauf zu lassen.
    Schließlich starteten wir mit anderthalb Stunden Verspätung. Shimamoto lehnte sich an mich und schlief beinahe den ganzen Flug über. Zumindest hielt sie die Augen geschlossen. Ich hatte meinen Arm um ihre Schultern gelegt. Mitunter kam es mir so vor, als weine sie im Schlaf. Die ganze Zeit herrschte Stille zwischen uns. Erst kurz vor der Landung redeten wir wieder.
    »Geht es dir auch wirklich wieder gut, Shimamoto?«, fragte ich.
    In meinen Arm geschmiegt, nickte sie. »Das Medikament hat geholfen. Mach dir keine Sorgen«, sagte sie und lehnte den Kopf leicht an meine Schulter. »Aber frag mich bitte nicht, warum das passiert ist.«
    »Ist schon gut. Ich frage nicht«, sagte ich.
    »Vielen Dank für alles, was du heute getan hast«, sagte sie.
    »Was habe ich denn getan?«
    »Du hast mich an den Fluss gebracht, hast mir mit deinem Mund Wasser eingeflößt und bist bei mir geblieben.«
    Ich sah sie an. Vor mir waren die Lippen, auf die ich vor gar nicht langer Zeit meinen Mund gelegt hatte, um ihr zu trinken zu geben. Auch jetzt schienen sie wieder meinen Mund zu suchen. Sie waren leicht geöffnet, und zwischen ihnen schimmerten Shimamotos schöne weiße Zähne hervor. Ich dachte an ihre weiche Zunge, die ich berührt hatte, als ich ihr das Wasser einflößte. Beim Anblick dieser Lippen war meine Kehle wie zugeschnürt, und ich konnte nicht mehr denken. Ich hatte das Gefühl, innerlich zu verbrennen. Sie begehrt mich, dachte ich. Und ich begehre sie. Aber ich hielt mich zurück. Ich musste hier und jetzt die Grenze ziehen. Ein Schritt weiter, und es gab kein Zurück mehr. Doch es fiel mir unendlich schwer, diesen Schritt nicht zu machen.
    Vom Flughafen aus rief ich zu Hause an. Es war schon halb neun.
    »Tut mir leid, dass es so spät geworden ist, ich konnte dich leider nicht früher anrufen. In einer Stunde bin ich da«, sagte ich meiner Frau.
    »Wir haben lange auf dich gewartet, aber dann haben wir doch schon gegessen. Es gab Eintopf«, sagte sie.
    Ich bot Shimamoto an, sie in meinem BMW mitzunehmen, den ich am Flughafen geparkt hatte. »Wohin soll ich dich denn bringen?«, fragte ich sie.
    »Du kannst mich in Aoyama absetzen, wenn dir das recht ist. Von dort komme ich allein nach Hause«, sagte Shimamoto.
    »Schaffst du es wirklich allein?«
    Sie nickte lächelnd.
    Wir sprachen kein Wort, bis ich in Gaien die Stadtautobahn verließ. Ich hatte eine Kassette mit einem Orgelkonzert von Händel aufgelegt und den Ton sehr leise gedreht. Shimamoto sah aus dem Fenster, beide Hände züchtig in den Schoß gelegt. Es war Sonntagabend, und in fast allen Wagen um uns herum saßen Familien auf der Heimfahrt von ihren Unternehmungen. Ich musste häufiger schalten als gewöhnlich.
    »Weißt du,

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