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Südlich der Grenze, westlich der Sonne

Südlich der Grenze, westlich der Sonne

Titel: Südlich der Grenze, westlich der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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jemand muss die Dinger ja bauen. Und das mache ich. Versteht sich.«
    »Aha«, sagte ich. »Aber was wird aus Tokio, wenn so viel gebaut wird?«
    »Was soll schon daraus werden? Es wird dynamischer, moderner und funktionaler. Das Gesicht einer Stadt ist ein getreues Abbild der Wirtschaftslage.«
    »Dynamischer, moderner und funktionaler ist gut. Da stimme ich dir zu. Aber in Tokio gibt es doch schon jetzt viel zu viel Verkehr. Wenn noch mehr gebaut wird, kommt man überhaupt nicht mehr vorwärts. Und wenn es mal nicht genug regnet, bricht die Wasserversorgung zusammen. Und im Sommer, wenn überall die Klimaanlagen laufen, reicht doch der Strom gar nicht aus. Den Strom erzeugen wir mit Erdöl aus dem Nahen Osten. Was ist, wenn es wieder eine Ölkrise gibt?«
    »Darüber soll sich die japanische Regierung Gedanken machen. Schließlich zahlen wir immense Steuern. Dafür können die feinen Herren Beamten, die an der Tokioter Universität studiert haben, doch mal ihren Denkapparat in Bewegung setzen. Diese Wichtigtuer sind doch sonst immer so schlau und tun, als würden sie die Geschicke des Landes lenken. Da können sie sich doch ausnahmsweise mal ihre kostbaren Köpfe zerbrechen. Ich kenne mich mit diesem Kram nicht aus, ich bin nur ein einfacher Bauunternehmer. Ich bekomme einen Auftrag und baue ein Haus. So funktioniert doch die freie Marktwirtschaft. Oder nicht?«
    Ich hielt den Mund. Schließlich war ich nicht hergekommen, um die japanische Wirtschaftslage zu erörtern.
    »Lassen wir diese schwierigen Themen und gehen wir was essen. Ich bin schon halb verhungert«, sagte er.
    Wir stiegen in seinen großen schwarzen Mercedes, in dem er sogar ein Telefon hatte, und fuhren nach Akasaka in ein Restaurant für Aal-Spezialitäten. Man führte uns in ein Séparée, in dem wir allein saßen, Aal aßen und Sake tranken. Da es erst Mittag war, nippte ich nur, aber mein Schwiegervater hielt sich nicht zurück.
    »Worüber wolltest du denn mit reden?«, fragte ich geradeheraus. Falls es etwas Unangenehmes war, wollte ich es lieber gleich hören.
    »Ehrlich gesagt möchte ich dich um einen Gefallen bitten«, sagte er. »Keine Sorge, es ist nichts Aufwendiges. Ich würde nur gern deinen Namen benutzen.«
    »Meinen Namen?«
    »Ich habe vor, eine neue Firma zu gründen, aber ich brauche jemanden, der nominell als Inhaber fungiert. Du musst gar nichts weiter machen, mir genügt dein Name. Dir entstehen daraus keine Nachteile, und ich werde mich angemessen revanchieren.«
    »Das ist nicht nötig«, sagte ich. »Du kannst meinen Namen benutzen, sooft du willst. Aber wenn ich schon als Firmengründer fungiere, würde ich gern wissen, um was für eine Firma es sich handelt.«
    »Offen gestanden ist es eigentlich keine richtige Firma. Sie existiert nur dem Namen nach.«
    »Also eine Scheinfirma? Eine Briefkastenfirma oder wie man das nennt?«
    »Ja, so in etwa.«
    »Und was ist der Sinn der Sache? Steuervorteile?«
    »Eigentlich nicht«, sagte er zögernd.
    »Geht es um Schmiergelder?«, fragte ich kühn.
    »So ähnlich«, sagte er. »Mir gefällt das auch nicht, aber in meiner Branche kommt man nicht darum herum.«
    »Und was mache ich, wenn es Probleme gibt?«
    »Eine Firma zu gründen ist völlig legal.«
    »Es kommt darauf an, was die Firma tut.«
    Mein Schwiegervater nahm eine Zigarette aus der Tasche und zündete sie mit einem Streichholz an. Dann blies er den Rauch in die Luft.
    »Es wird keine Probleme geben. Und selbst wenn, sieht jeder sofort, dass du mir nur aus Verpflichtung deinen Namen zur Verfügung gestellt hast. Was willst du machen, wenn der Vater deiner Frau dich um etwas bittet? Niemand wird dich verantwortlich machen.«
    Ich dachte einen Moment lang nach.
    »Wohin gehen diese Bestechungsgelder?«
    »Es ist besser, wenn du das nicht weißt.«
    »Ich würde gern etwas näher darüber Bescheid wissen, wie der Markt funktioniert«, sagte ich. »Landet das Geld bei Politikern?«
    »Zum Teil«, sagte mein Schwiegervater.
    »Bei Beamten?«
    Mein Schwiegervater drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus. »Komm schon, das wäre Korruption. Dafür wanderst du in den Knast.«
    »Aber in deiner Branche schmieren doch so ziemlich alle, oder?«
    »Mehr oder weniger«, sagte er und verzog unwirsch das Gesicht. »Aber nicht so, dass sie ins Gefängnis kommen.«
    »Was ist mit Gangstersyndikaten wie den Yakuza? Die sind doch sehr nützlich, wenn man billig Land aufkaufen will.«
    »Für die hatte ich noch nie viel übrig.

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