Suehne
in der Nähe ist, dann geraten die Dinge zumindest in Bewegung.«
»Dieser Mensch scheint über unerschöpfliche Energie zu verfügen«, konstatierte die Bezirkspolizeidirektorin und seufzte schwer.
»Ja. Vollkommen unbegreiflich, wenn man bedenkt, wie er lebt und wie er aussieht«, pflichtete ihr Holt bei.
»Seine augenblickliche Platzierung beim Dezernat für Eigentumsdelikte ist unglücklich. Es ist nicht so, dass seine Chefs ihm etwas hätten nachweisen können, aber es wird so viel geredet. Ich finde auch, dass man nicht genug getan hat, um ihm zu helfen. Man hat ihm keine Aufgaben gegeben, die ihn interessieren. Bäckström fühlt sich ungerecht behandelt. Leider nicht ganz unberechtigt, und deswegen habe ich auch
ständig Ärger mit der Gewerkschaft. Außerdem besitzt er die besten Zeugnisse. Sie sind sogar hervorragend.«
Wegloben nennt man das, dachte Holt. Warum auch immer er weg soll. Sie begnügte sich allerdings mit einem Nicken.
»Anna«, sagte die Bezirkspolizeidirektorin und seufzte erneut. »Ich bilde mir ein, dass du die Einzige bist, die mit dem Typen klarkommt. Sollte es auch dir misslingen, dann verspreche ich, ihn zurückzunehmen. Dann werde ich ihn feuern, selbst wenn die Gewerkschaft meinen Kopf auf einem Silbertablett fordert.« »Und weiter?«, fragte Holt.
»Im letzten halben Jahr ist er außerdem noch rumgelaufen und hat was von einer rätselhaften Verschwörung im Palme-Mord erzählt. Ich war so dumm, ihn seine Thesen vortragen zu lassen. Ich versichere dir, Anna ... «
»Ich weiß«, erwiderte Anna Holt. »Ich habe mir seine Thesen auch anhören müssen ... «
»Das war alles vollkommen hanebüchen, insbesondere auch deswegen, weil sich plötzlich einer von denen, die angeblich an der Verschwörung beteiligt waren, an mich wendet und mich bittet, ihm, also Bäckström, behilflich zu sein. Ein einflussreiches Mitglied des Reichstags. Er behauptete, Bäckström sei das Opfer eines Justizskandals geworden. Sogar mehrerer.«
»Du willst, dass Bäckström auf andere Gedanken kommt«, meinte Holt.
»Genau«, entgegnete die Bezirkspolizeidirektorin. »Er scheint ohnehin nur schwere Gewaltverbrechen im Kopf zu haben. Und die habt ihr schließlich bei der Polizeidirektion West.«
»Okay«, sagte Anna Holt. »Ich verspreche, mein Bestes zu tun, aber bevor ich einen Beschluss fasse, will ich den Mann, der Bäckströms unmittelbarer Vorgesetzter sein wird, nach seiner Meinung fragen. Das bin ich ihm schuldig.«
»Tu das, Anna«, sagte die Bezirkspolizeidirektorin. »Ich drück dir die Daumen.« »Bäckström«, sagte Kommissar Toivonen, der Chef der Kripo der Polizeidirektion West war. »Sprechen wir von Evert Bäckström? Der soll bei mir anfangen?«
»Ja«, erwiderte Holt. Toivonen, dachte sie, einer der legendären Ermittler der Polizei Stockholm. Toivonen, der immer direkt zur Sache kommt und keine Zeit auf Floskeln verschwendet, der immer sagt, was er denkt.
»Ich verstehe«, sagte Holt, »dass du gewisse Bedenken hast.«
»Schon okay«, meinte Toivonen und zuckte mit den Achseln. »Ich habe keine Probleme mit Bäckström. Wenn er Ärger macht, dann bekommt er die Probleme.«
»Schon okay«, wiederholte Holt seine Formulierung. Was glaubt er eigentlich?, dachte sie.
»Einverstanden«, meinte Toivonen und nickte. »Wann kommt er?«
Endlich, dachte Toivonen, als er das Büro seiner Chefin verließ. Es hatte fünfundzwanzig Jahre gedauert. Jetzt war es so weit. Er hatte fast schon die Hoffnung aufgegeben, es ihm heimzahlen zu können. Jetzt, du kleiner Fettsack, jetzt bist du dran, dachte Kommissar Toivonen. Und der, an den er dachte, war sein neuer Mitarbeiter Kommissar Evert Bäckström.
Toivonen hatte seiner Chefin Anna Holt gegenüber einiges im Dunkeln gelassen. Vor mehr als fünfundzwanzig Jahren hatte er als Polizeianwärter oder »Fuchs«, wie es damals noch hieß, drei Monate Praktikum beim Dezernat für Gewaltverbrechen in Stockholm gemacht. Als Mentor hatte man ihm Kriminalinspektor Evert Bäckström zugeteilt.
Statt dem »verdammten Fuchs« etwas über Ennittlungsarbeit beizubringen, hatte Bäckström ihn zu seinem Sklaven gemacht. Trotz Toivonens stolzer Abstammung von Generationen von Bauern und Kriegern aus Karelien hatte Bäckström ihn wie einen russischen Leibeigenen behandelt. Er hatte das Chaos auf dessen Schreibtisch sortieren, seinen Papierkorb leeren, den Fußboden fegen, Kaffee kochen, Kopenhagener einkaufen und Bäckström durch die Gegend chauffieren
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