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Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption

Titel: Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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früh!«
    »Beruhig dich, Howard, ich bin doch da.«
    »Es ist zu früh, Scheiße! Es sind noch zehn Minuten!«
    Howard ist aufgesprungen, er taumelt gegen den Tisch. Die Tür geht auf, und Wendy kommt herein.
    »Zehn Minuten, Cullen!«, verkündet der Wächter.
    »Das weiß ich, Blödmann! Hab ich doch gesagt, Scheiße!«
    Die Tür schließt sich wieder. Howard schwankt. Wendy muss ihn stützen.
    »Das ist wirklich die allerletzte Gemeinheit von dir, Wendyschatz.«
    »Tut mir leid, Howard.«
    Wendys Lippen legen sich auf die seinen. Howard erwidert ihren Kuss. Er fühlt Wendys Tränen. Er schmeckt Wendys Speichel. Er konzentriert sich, um sie so gut zu küssen wie möglich. Als sie sich von ihm löst, sagt er: »Mann, das schmeckt noch viel besser als Zucker.«
115
    Von dem kleinen Raum geht es direkt in den Hinrichtungssaal. Vier Reihen Stühle sind aufgestellt. Im Hintergrund sitzen ein paar Journalisten, die sich leise unterhalten. Eine Frau im dunklen Kostüm drückt sich ein Taschentuch an den Mund. Sie ist mit einem Jungen hier, dessen Augen vor Hass funkeln. Peter und Wendy setzen sich in die erste Reihe.
    Als der Vorhang zur Seite gezogen wird, liegt Howard auf einer Art O P-Tisch. Seine Knöchel und Handgelenke sind mit Lederschlaufen und mächtigen Schnallen gefesselt. In beide Arme hat man ihm je eine Kanüle gelegt, aber nur die erste ist zur Durchführung der Exekution notwendig, die andere dient als Ersatz, falls die erste aus irgendeinem Grund ausfallen sollte.
    Die Wächter haben die Abschnürbinde so fest angezogen, dass die Venen gut hervortreten. Dennoch mussten sie mehrmals zustechen, bis die Kanülen saßen. Der Gefängnisdirektor fragt den Verurteilten, ob er noch eine letzte Erklärung abzugeben wünsche. Howard sieht Wendy an. Seine Lippen bewegen sich, Peter versucht vergeblich, die geflüsterten Worte zu entziffern. Aber der Direktor hält ihm das Mikrofon an die Lippen. Aus dem Lautsprecher tönt die Erkennungsmelodie der Verlorenen Jungs.
    Mitternacht. Auf ein Zeichen des Direktors leitet ein Techniker die Injektion des ersten Mittels ein. Der schwere Kolben senkt sich in das an der Wand aufgehängte Fläschchen und schickt eine hohe Dosis Thiopental in den Infusionsschlauch. Das Barbiturat soll den Verurteilten in Narkose versetzen; in dieser hohen Dosierung aber verätzt es nebenbei auf abscheuliche Weise die Venen. Der Kolben hat den Boden des Fläschchens erreicht, jetzt beginnt die Injektion des zweiten Mittels, das alle Muskeln mit Ausnahme des Herzens lähmt. Howards Gesicht erstarrt. Die Brust hebt und senkt sich nicht mehr, die Lippen bewegen sich nicht mehr. Das Gehirn arbeitet noch, die Lunge aber nicht mehr. Vor dem Tod durch Atemlähmung wird die dritte Substanz freigesetzt: Kaliumchlorid bewirkt den Herzstillstand. Die Lippen bleiben halb offen. Auch die Lider. Der Vorhang schließt sich.

IX
    Marcellus
116
    Über Redemption ist die Sonne untergegangen, als Peter wieder zu sich kommt. Er riecht Leder und Tabak. Als er schon im Begriff ist, abermals davonzutreiben, ertönt eine Stimme: »Jetzt ist er wach.«
    Das Parkett knarzt. Der Geruch des Reverends blendet den Ledergeruch aus. Er hat sich über ihn gebeugt.
    »Bist du wach, Peter?«
    Ein Schmerz wie von vielen Nadeln sticht ihm in die Kopfhaut, und Peter zuckt zusammen. Es fühlt sich an, als hätte man ihm ein Stück Stoff direkt auf den Schädel getackert. Seine Arme stecken in Handschellen. Er öffnet die Augen und begegnet Estermans blauem Blick. Hinter ihm entdeckt er Brunswick und einen weiteren fetten Menschen im Anzug. Der sitzt in einem Sessel und vergießt Ströme von Schweiß. Außerdem wirkt er verschreckt. Peter braucht einen Moment, bis ihm wieder einfällt, wer das ist: der ehrenwerte Richter Aloisius Barstow, der Redemption mit Frischfleisch versorgt. Peter richtet seine Aufmerksamkeit wieder auf den Reverend, der sehr nah vor ihm steht. Er spannt die Muskeln an, um ihm ein Knie in die Eier zu rammen, doch seine Absicht wird von einem zweiten Paar Handschellen vereitelt, das seine Knöchel fesselt.
    »Wie du feststellen kannst, haben wir einige Vorsichtsmaßnahmen ergriffen.«
    »Das war sehr vernünftig.«
    »Das reicht jetzt, Markus! Der kleine Dreckskerl soll uns endlich sagen, womit wir zu rechnen haben!«
    Die keifende Stimme gehört Richter Barstow, der sich sein schweißnasses Schweinsgesicht abwischt. Seine Erscheinung hat nichts Ehrenwertes mehr. Er fährt sich mit einer sehr nassen Zunge über

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