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Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption

Titel: Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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konzentriert sich auf die Geräusche aus dem Telefon. Das Geheul der Sirene, das Geplapper der Zwillinge, das Ticken des Blinkers, den Barbara setzt, ehe sie rechts heranfährt.
    Der Kies knirscht, als der Wagen am Straßenrand hält. Barbaras Stimme entfernt sich ein Stück. Sie hat das Mobiltelefon auf die lederbezogene Ablage neben dem Ganghebel gelegt. Shepard hört sie die Handbremse ziehen. Ein anderes Geräusch erregt seine Aufmerksamkeit. Ein mächtiges, eintöniges Vibrieren, das die Atmosphäre erfüllt. Wie das ferne Pumpen von Ölbohrtürmen. Shepard konzentriert sich wieder auf Barbara. Die jetzt im Rückspiegel sieht, wie der dicke Polizei-Chevrolet ein paar Meter hinter ihr stehen bleibt. Die Windschutzscheibe, sagt sie, sei schmutzig, und im gleißenden Widerschein der Sonne könne sie kein Gesicht dahinter sehen. Der Chevrolet scheint auf der Radaufhängung ein Stück zu wachsen, als sich die ungeheure Masse des Sheriffs herausschält. Er setzt seine Uniformmütze auf und verstaut den Schlagstock im Etui. Barbara fragt sich laut, wie so ein Riese hinter das Steuer eines Wagens passe: Sicher fahre er auch bei ganz zurückgeschobenem Sitz mit den Knien unter den Ellenbogen. Er kommt näher. Das glutheiße Wüstenlicht offenbart seine Gesichtszüge. Barbara, die wieder nach ihrem Telefon greift, stößt einen leisen Fluch aus.
    »Verdammte Scheiße … Das ist ein Cowboy.«
    »Was?«
    »Na, du weißt schon, einer dieser County-Sheriffs, die imstande sind, dir von hinten eine Kugel in den Kopf zu jagen, nur weil du nicht direkt auf dem Zebrastreifen die Straße überquert hast.«
    »Bleib cool, Baby.«
5
    Shepard, der sein Telefon so fest umklammert, dass er fast das Gehäuse eindrückt, hört das Surren der elektrisch hinabgelassenen Scheibe. Ein Schwall heiße Luft quillt ins Wageninnere und nimmt der jungen Frau den Atem. Der dumpfe Hintergrundlärm ist lauter geworden. Eine dicke Fliege brummt. Unter den Sohlen des Bullen knirscht der Kies. Er geht langsam. Hat alle Zeit der Welt. Shepard sieht die kompakte Masse der Stare die Bucht umrunden und in dicht geschlossenen Reihen zum Golden Gate Park zurückkehren. Das sieht jetzt beinahe aus wie eine Öllache, die sich über den Himmel breitet. Seine Zunge ist wie ein Stück Pappe im Mund. Aus seiner Kehle kommt ein seltsam rauer Ton.
    »Barbara?«
    Sie hört ihn nicht. Sie hat das Telefon wieder abgelegt. Das Knirschen ist verstummt. Der Bulle beugt sich vor. Seine nackten Unterarme sind dick wie Schenkel. Seine fetten Hände legen sich um die Türkante, als wollten sie das Blech verbiegen. Barbara betrachtet die Schweißflecken unter seinen Achseln. Die Uniform ist ihm zu eng, und es sieht aus, als könnte die Masse des Oberkörpers jeden Moment das Hemd sprengen. In den Schweißgeruch, den der Riese verströmt, mischen sich abgestandener Urin, Old-Spice-Rasierwasser und Tabak. Ein Stück Priem bläht seine Backe wie ein Abszess unter der Haut. Im Mundwinkel glänzt brauner Speichel. Er trägt eine Sonnenbrille mit verspiegelten Gläsern, hinter denen sein Blick unsichtbar ist. Er lächelt höflich und entblößt dabei eine Reihe großer, gelber Zähne. Auf der Rückbank werden die Zwillinge unruhig. Barbara spürt, wie sich auf ihrer Kopfhaut Schweißperlen bilden. Die Wüstenhitze raubt einem den Atem. Nein, atemraubend ist etwas anderes. Es ist etwas, das der Sheriff ausschwitzt, zugleich mit dem üppigen Schweiß, der ihm den Hals hinabrinnt. Etwas Nachtschwarzes.
    Barbara, die zu ihm aufblickt, sieht in den verspiegelten Gläsern nur sich selbst. Sie versucht zu sprechen. Ihre Stimme zittert.
    »Hab ich was falsch gemacht, Sheriff?«
    Der Mann gibt darauf keine Antwort. Stattdessen deutet er auf die Zwillinge.
    »Ihre Töchter?«
    »Ja sicher.«
    »Nichts auf Erden ist je sicher, Ma’am, glauben Sie mir.«
    Der Sheriff hat seine Hand auf die hintere Scheibe des Wagens gestützt und macht Kuckuck! mit den kleinen Mädchen, die ihm zulächeln.
    »Die zwei sehen sich ja verdammt ähnlich.«
    »Es sind Zwillinge.«
    »Wie alt?«
    »Zwei.«
    »Beide?«
    Barbara schluckt und nickt. Der Sheriff macht den beiden Mädchen allerlei Zeichen, und sie strecken seinen dicken Fingern hinter der Scheibe die Arme entgegen.
    »Und wie heißen Ihre kleinen Püppchen?«
    »Meredith und Monica.«
    »Süß.«
    »Danke.«
    Barbara sieht den Adamsapfel des Sheriffs in der Kehle abwärts und wieder aufwärts gleiten, als wäre er den Tränen nahe.
    Nach kurzem Nachdenken

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