Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption
nachher das Geschrei immer groß.«
Die Jungen setzen sich auf die Planken. Peter ist so froh, dass er die aus der fetten Erde ringsum aufsteigenden Gerüche kaum noch wahrnimmt. Collie hat die Augen geschlossen. Seine Finger trommeln auf ein Knie, als spielten sie einen Blues.
»Er horcht, ob jemand kommt«, erklärt Howard. »Bei seinem Gehör und Ezzies Nase können wir beruhigt sein.« Und an alle gewandt, fügt er hinzu: »Jetzt sind wir fünf.«
»Nein, sechs.«
Die Jungen fahren zusammen. Ezzie ist aufgestanden. Er hält die Nase in die reglose, heiße Luft, wittert. Howard ist blass geworden.
»Fuck, Collie, sag bloß, du hast ihn nicht geortet!«
Collie hat die Augen wieder geöffnet. Seine Finger trommeln nach wie vor auf sein Knie.
»Nein«, sagt er.
»Und wieso nicht?«
»Weil die Stimme nicht gefährlich ist. Sie ist … klar. Ja genau, das ist es. Klar wie Wasser, verstehst du?«
»Verdammtes Scheißhaus, Collie Partridge! Klar oder nicht – wenn jemand daherkommt, ohne die Erkennungsmelodie zu pfeifen, sagst du gefälligst Bescheid, okay?«
»Okay.«
Howard wendet sich der Brombeerhecke zu.
»Zeig dich, oder ich lasse Ezzie los!«
Der Riese knurrt. Im Dickicht knackt es. Peters Herz macht einen Satz, als er Wendy erscheinen sieht. Howard lässt einen Hagel Flüche los, Marcellus fährt mit dem Fingernagel seine Narbe entlang. Ezzie verschränkt die Arme hinter dem Rücken. Peter ist aufgestanden; er küsst Wendy auf den Mund und legt ihr den Arm um die Schultern. »Das ist meine Freundin«, sagt er.
Wendy lächelt den anderen zu. Ihr Overall spannt sich um ihre Brüste, als sie ihre schönen Haare anhebt. Trotz der Hitze und der Angst riecht sie wunderbar gut. Marcellus schnaubt vor Wut.
»Das ist gegen die Regeln! Keine Mädchen in der Gruppe! Mädchen sind wie eine Seuche – wenn sich einer angesteckt hat, kannst du sicher sein, dass gleich auch alle anderen umfallen.«
»Jawohl, das ist das verdammte Gesetz des Universums.«
Das sagt Ezzie mit einem seltsamen Leuchten in den Augen. Peter wendet sich an Howard. »Entweder wir beide oder keiner von uns.«
Howard sieht Wendy an. Dann Peter. Dann wieder Wendy.
»Kann sie die Klappe halten?«
»Klar.«
»Kann sie auch spucken?«
Wendy nickt.
»Reicht nicht, dass sie’s sagt. Sie muss es machen.«
Wendy räuspert sich zierlich und spuckt einen dünnen Strahl, der vor ihr in den Brennnesseln landet. Howard dreht sich zu Marcellus um, und der zu Collie. »Nicht so schlecht«, sagt Marcellus.
»Ezzie?«
Der Riese tritt näher. Peter drückt Wendy ein bisschen fester an sich.
»Keine Ausnahme von der Regel, Peter«, sagt Howard.
Peter rückt widerstrebend ab. Wendy hebt einen Arm. Mit ziegelrotem Gesicht beugt Ezzie sich vor und beschnuppert ihre Achsel. Seine Augen werden feucht. Er schlingt vorsichtig die Arme um das Mädchen und hebt sie hoch, ohne zu drücken. Dann stellt er sie auf einer Planke ab und sagt zu den anderen: »Erdbeere und Apfel. Bisschen Nugat auch, wegen dem Schweiß. Tschuldigung, Wendy, aber Nugat, wenn man schwitzt, das ist praktisch ein Kompliment.«
»Nicht schlecht, Dicker.«
Ezzie strahlt von einem Ohr zum anderen und legt Wendy seine mächtige Pfote auf die Schulter. Er dreht sich zu den anderen und verkündet in resolutem Ton: »Sie ist ebenfalls mein Kumpel!«
Alle setzen sich wieder auf die Planken.
»Jetzt sind wir sechs«, sagt Howard. »Wir sind also eine Gang. Und eine Gang, die was auf sich hält, braucht einen Namen. Hat wer eine Idee?«
»Ich.«
Alles dreht sich zu Ezzie. Der strahlt übers ganze Gesicht.
»Peter und Wendy – sagt euch das nichts?«
Die anderen sehen ihn verständnislos an. Ezzie ist im siebten Himmel.
»Mann, Leute!«, brüllt er. »Peter Pan – die Verlorenen Jungs! Das passt doch super, oder?«
»Mann, schrei nicht so! Sonst kommt uns noch wer auf die Spur!«
»Tschuldigung, Howie, ich freu mich nur so über meine Idee.«
Howard schweigt einen Moment. Er sieht Peter und Wendy an. Nachdenklich sagt er: »Die Verlorenen Jungs …«
»Nicht schlecht, oder?«
Howards Blick richtet sich auf Ezzie.
»Das ist besser als nicht schlecht, Ezzie. Das ist supergut!«
Er will noch etwas hinzufügen, doch in dem Moment ertönt vom Zellentrakt her die Glocke.
38
Wendy Sullivan parkt ihren Volvo Kombi wenige Meter vor der Kirche Ewige Güte. Die Augen hinter einer Sonnenbrille verborgen, vergewissert sie sich, dass niemand sie sieht, und legt dann die Stirn ans
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