Sünde einer Nacht (Geschichtentrilogie Band 3 Romantische Geschichten)
Erregung.
Nicht, dass sie ihr besonders gefielen, diese Bilder. Nein, sie stießen sie eher ab in ihrer Derbheit, ihrer Aufdringlichkeit, ihrer in grellbunte Farben getauchten animalischen Sinnlichkeit.
Diese Porträts, die in Übergröße, alle gleich, und doch jedes verschieden, von den frisch geweißten Wänden lächelten, böse, traurig, gierig, unglücklich, verbittert gar und drohend.
Was war es also, das diese Gefühle in ihr auslöste? Diesen Zustand des Rausches?
Die Augen? Alle ähnlich, wie die Farben, doch auf jedem Gesicht anders verteilt?
In diesem Gesicht leuchtete viel Rot, im nächsten kühlte reines Blau, in dem daneben erblühte wie goldenes Sonnenlicht Gelb und Orange. Und um all diese Gesichter erblühten exotische Blümchen, Fische, Vögel, anderes Getier und mystische Fabelwesen, die alles um sich her in eine geheimnisvolle Aura tauchten.
‚Er malt den Mantel der Seele‘, kam ihr die plötzliche Erleuchtung und damit die Erinnerung an die erste Begegnung mit dem Maler Wedel.
*
Die Pressemenschen fotografierten und schrieben fleißig. Als Wedel dann endlich zu vorgerückter Stunde erschien, locker, burschikos, selbstbewusst, war er sofort von einer Menschentraube umringt. Sie
hielt sich zurück, verzog sich lieber still auf einen Beobachtungsposten. Als Evelyn sich später mit ihm unterhielt, gesellte sie sich dazu und verwickelte ihn in ein Gespräch und stellte fest, dass sie Recht hatte mit ihrer Vermutung.
Er male tatsächlich in Symbolen, sagte er.
„Und ich möchte auch Sie malen, wenn Sie gestatten, natürlich.“
„Mich?“, druckste sie herum. „Ich weiß nicht…“
Dieses Angebot kam wirklich zu überraschend, damit hatte sie nicht gerechnet.
„Sie haben etwas Unergründliches an sich“, lockte Wedel und sah sie eindringlich an, „ich glaube, es sind die Augen. Ja, die Augen. Sie sind dämonisch. Haben die Männer Angst vor Ihnen?“
„Nicht, dass ich wüsste“, hatte sie irritiert geantwortet.
„Ich hätte Angst.“
„So?“
„Ja. Doch im positiven Sinn. Frauen, die mich erschrecken, ziehen mich an.“ Sein Blick ruhte nun still in ihren Augen. „Sie beflügeln meine Fantasie.“
Drei Tage später besuchte sie ihn in seiner Wohnung. Diese Behausung - Wohnung konnte sie dazu nicht sagen - übertraf ihre vorgewarnten Erwartungen. Domi hatte gesagt:
„Du kriegst das Ekeln, wenn du diese Wohnung siehst.“
Ekeln war allerdings noch gelinde ausgedrückt. Wie lange hatte hier keiner mehr sauber gemacht? Abgewaschen? Wäsche gereinigt?
In allen drei Zimmern der geräumigen Altbauwohnung stapelten sich im schmutzigen Chaos Kleidungsstücke, Geschirr, Farben, Malerutensilien, Andenken, Musikinstrumente; Reste von Essen und sogar eine Klobürste lagen in lieblicher Harmonie im halbdunklen Korridor neben und übereinander.
Alle Türen standen weit offen. Auf dem WC im schmalen Bad fehlte der Deckel, sodass sie den braunen Urinstein am Beckenrand schimmern sehen konnte.
Wedel schien all das nicht peinlich zu sein. Er schien diese makellose Unordnung nicht einmal wahrzunehmen. Es war sein Alltag. Sein Leben. Er malte. Was interessierten ihn diese profanen Dinge des Lebens. Er stand darüber. Sein Geist war erhaben.
Nahm er Drogen? Alkohol? Beides?
Klara fand Wedel und seine Umgebung abstoßend. Was wollte sie hier?
Als Wedel sie höflich bat, im Wohnzimmer Platz zu nehmen, flüchtete sie vorsichtig auf eine freie Ecke des wackligen, zerschlissenen Sofas, dessen samtige Farbe nicht mehr zu identifizieren war.
Freundlich bot er ihr ein Glas Wein an. Sie lehnte dankend ab, aus Furcht, auf der Stelle Ekelpickel zu bekommen. So schlürfte er selbst in schnellen Zügen, als wäre er am Verdursten, aus seinem unausgespülten, undurchsichtigen Allzweckglas. Sie beschäftigte sich währenddessen mit den Bildern, die alle Wände des großen Zimmers bedeckten.
Genau über ihr hing überlebensgroß Domis Porträt. Sie erkannte es sofort. Das war seine rote Mähne, sein roter Barbarossabart. Wedel hatte das Kupferrot vermischt mit grünen, gelben, braunen Tönen, diese mit Ocker und schwarz, und verteilt in gleichmäßig dicken Strähnen.
Domis wasserblaue Augen, schräg gestellt wie bei einem Tiger, starrten irgendwie böse auf sie herab. Seine Lider waren rot, die Brauen tiefschwarz, während seine hohe Dichterstirn matt in Ockergelb schimmerte. Seine Wangen hatten die gleiche Farbe.
Auf dem Nasenbein protzte ein dicker roter
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