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Sünden der Faulheit, Die

Sünden der Faulheit, Die

Titel: Sünden der Faulheit, Die Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Peltzer
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glänzte der Neonschriftzug, die Fenster waren in halber Höhe mit schwerem Filzstoff abgehängt. Man mußte sich draußen auf die Zehenspitzen stellen, um hineinzusehen.
    Die Stirnseite des Raumes beherrschte ein riesiges Bild: Der Trinker. In dunklen Farben hockte ein Mann mit Baskenmütze vor einer Flasche Wein an einem runden Tisch. Als Lacan durch den Windfang trat, fiel sein Blick auf den Monitor über der Bar, auf dem ein alter Donald-Duck-Film ablief. Goofi fuhr einen Combi, an dessen Stoßstange Donald, der Trottel, hing und hin und her geschleudert wurde, bis er sich in einer Kurve wie eine Schnur um einen Baum wickelte.
    Lacan setzte sich auf einen Hocker und bestellte Bier und Osborne. Die Kellnerin trug einen schlechtsitzenden Lederrock mit Schlitz, den Lacans Augen hochwanderten, wenn sie sich bückte. Sie lächelte ihn an. In einer Ecke saßen blasierte Oberschüler. Allen Jungen fiel die gleiche Haarsträhne übers Gesicht, die Mädchen waren wie Trümmerfrauen angezogen und entschieden langweiliger als ihre Mütter. Ein verfrorener Poet lag über der Theke und kritzelte in ein Heft, vor sich ein Cocktailglas mit Strohhalm. Plötzlich packte jemand Lacan an den Schultern und schüttelte ihn. Er rutschte vom Hocker in Jans Arme. Und da war auch Keitel, der ihn am Kopf tätschelte. Sie schwangen sich auf die freien Plätze links und rechts und winkten der Bedienung, die am Videorecorder fummelte. Jan klopfte Lacan auf den Rücken.
    »Mensch, Alter, bist du in ’nen Glückspott gefallen?« Lacan sah ihn unsicher an. Auf der anderen Seite gluckste Keitel, und Jan zog die Nase hoch.
    »Na, ich habe dich doch vorhin in einem Jaguar durch die Gegend rauschen sehen, oder was?«
    Lacan verschluckte sich am Osborne und schnappte nach Luft. Jan bestellte eine Flasche Sekt mit vier Gläsern. Lacan beruhigte sich.
    »Ihr wußtet das nicht? Unter Jaguar läuft bei mir nichts mehr. Ich wohne übrigens jetzt auch im Westend. Kommt doch mal vorbei.« Er legte den Zeigefinger auf die Lippen. »Bleibt aber unter uns, abgemacht?«
    »Abgemacht!« grinste Jan.
    »Hab’ ich dir doch gleich gesagt, Bernie und ’n Jaguar!« Die drei lachten. Die Kellnerin entkorkte den Sekt, und man stieß an.
    »Euch geht es auch nicht schlecht«, sagte Lacan.
    »Können nicht klagen«, sagte Jan und zog seine Krawatte zurecht. Sie hatten in Neapel gebrauchte Anzüge, Armeemäntel und Schuhe gekauft und zollfrei nach Deutschland gebracht; der Gewinn wurde verfeiert.
    Unter der Theke reichte Jan seinem Kompagnon eine Emailleschatulle.
    »Ich glaube, Bernie braucht ’n Hit.«
    »Glaub’ ich auch«, sagte Keitel, dessen Gesicht stets gleich verknittert war. »Ich geh’ mal vor.« Er verschwand durch eine Schwingtüre zur Toilette.
    »Dir geht’s tatsächlich nicht schlecht?« fragte Lacan. »Bestens, Bernie, bestens. Wir waten in Geld. Zwar mehr Münze, aber die Füße sind bedeckt.«
    Lacan biß auf seine Unterlippe.
    »Geh’ jetzt nach hinten«, forderte ihn Jan auf.
    Als Lacan die Toilette betrat, zog Keitel ihn in eine Kabine. Auf der Spülung lag die geöffnete Emailleschatulle, deren Innenseiten verspiegelt waren. Keitel schob die zu einem Gitter gehackten Kristalle zusammen. Obwohl seine Hände zitterten, präparierte er die Linien mit geometrischer Präzision.
    »Von Susanne?« fragte Lacan. Keitel nickte.
    Die Toilettentüre quietschte leise, und sie sahen sich mit angehaltenem Atem an. Dann rauschten die Pissoirs. »Welche?« fragte Lacan.
    Keitel schnalzte mit der Zunge, und Lacan schob das Röhrchen so weit wie möglich ins Nasenloch.
    In kurzem Abstand kehrten sie auf ihre Plätze zurück. Die Kellnerin saß inzwischen auf dem Rand des Spülbeckens und lehnte ihren Oberkörper über die Bar. Jan flüsterte in ihr Ohr. Er saß nicht mehr auf seinem Hocker, sondern stand mit geknickten Knien auf der Fußleiste. Keitel ließ die Schatulle in Jans Tasche gleiten. Die Frau sprach kurz mit ihrem Kollegen und ging nach hinten. Jan kniff Keitel und Lacan ein Auge und folgte ihr. Sein weiter Anzug schlotterte um seinen Körper. Auf dem Bildschirm lief stumm ein Jerry-Lewis-Film, aus den Lautsprechern dudelte Milt Jackson. Die Droge verteilte sich in Lacans Rachen, und sein Herzschlag wurde schneller und heftiger.
    »Ist gut, oder?« fragte Keitel.
    »Sauber!« Lacan hatte seit Monaten nichts mehr genommen, und der Grund war nicht seine katastrophale Finanzlage. Kokain und Alkohol zusammen vertrugen sich nicht, und wenn man das

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