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Sünden der Faulheit, Die

Sünden der Faulheit, Die

Titel: Sünden der Faulheit, Die Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Peltzer
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vor einem pompösen wilhelminischen Aufgang stehen und schellte. Aus der Gegensprechanlage tönte eine Stimme.
    »Die Letzten werden die Ersten sein«, sprach Jan in das Mikrophon, und die Tür sprang summend auf. Die Wände des Treppenhauses waren mit Marmor ausgelegt, im Entree hingen große Spiegel.
    Schwietzkes linke Hand nahm ihnen die Garderobe ab, Lacan bekam von dem bulligen Mann ein Jackett in gedeckten Tönen: Die Wohnung war teuer eingerichtet, doch der Geschmack des Dekorateurs hatte den eines Zuhälters nur um Goldkettchenbreite verfehlt. Lacan gesellte sich an einen Tisch, an dem Siebzehnundvier gespielt wurde. Die Einsätze überstiegen bei weitem sein Format, und so wettete er mit zwei Herren neben sich, welcher Spieler den Einsatz gewinnen würde. Er hatte Glück.
    An einer improvisierten Bar wurde Sekt ausgeschenkt. Mit einem Glas in der Hand spazierte Lacan durch die Zimmer. Jan und Keitel spielten mit drei Geschäftsleuten ein Spiel, das er nicht kannte. Einer von ihnen konnte sich nicht mehr auf das Brett konzentrieren, so angestrengt zog er eine von Schwietzkes Animierdamen schon mit den Augen aus. Am hinteren Ende der Wohnung lagen Séparées.
    In einer Tür entdeckte Lacan eine Frau, die gelangweilt an ihrem Glas nippte. Sie war Barfrau im »Pik 7 « gewesen und freute sich, ihn hier zu treffen. Bevor man Erinnerungen austauschen konnte, trat Schwietzke hinzu und faßte sie besitzergreifend um die Hüfte.
    »Na, Lacan, mal wieder flüssig? Oder willstet dir hier abjewöhnen?«
    Lacan verzog das Gesicht.
    »Kredit is hier nich. Allet janz seriös.«
    »Deshalb bin ich ja da!«
    »Siehste, mein Juter, sowat jibt’s heute auch noch.«
    »Ich hätte es schon fast nicht mehr geglaubt.« Schwietzke gab Lacan Feuer und ging mit der Frau zur Bar.
    An Jans und Keitels Tisch wechselten die Scheine mit großer Geschwindigkeit ihre Besitzer, die beiden lagen weit vorne.
    »Entschuldigung die Herren, aber ich geh’ jetzt mal.«
    »Seh’n wir dich heute abend noch?« fragte Keitel.
    »Ich denke nicht, ciao.«
    »Mach’s gut, Alter«, sagte Jan und würfelte.
     
    Die letzten Sterne verbargen sich hinter Wolken, der Wind schnitt kalt ins Gesicht. Im Wagen zählte Lacan sein Geld. Er hatte fast 200 Mark gewonnen. Das Warnlicht eines Schneepflugs blitzte kurz in seinem Rückspiegel auf.
    In seiner Wohnung setzte Lacan sich auf den Hocker in der Küche und holte den Oelze aus dem Kühlschrank. Roland Hartmann war tot, wegen dieses kleinen dummen Bildes. Lacan konnte sich keine Gedanken mehr machen und fluchte nur leise und fluchte, und so vertrieb er seine Traurigkeit. Er verpackte den Oelze im Kühlschrank und legte sich ins Bett.
     
    Der Empfang Unter den Linden verlief, wie Empfänge verlaufen. Ein Streichquartett spielte Tschaikowsky und Rimski-Korsakow, der sowjetische Botschafter hielt eine launige Ansprache, dann wurde das Buffet eröffnet. Oberst Koljatow hatte die Kanapees gekostet, nun stand er gedankenverloren im Kreis um den französischen Militärattaché, der sich über den Einfluß des Baron Haussmann auf den europäischen Städtebau ausließ, als ein Botschaftsangestellter hinzutrat und Koljatow um eine Unterredung bat.
    Dr. Belösy wartete in einem Nebenzimmer. Man sah ihm die Anstrengungen der letzten Tage an, doch Koljatows Mißtrauen legte sich schnell. Der Ungar schilderte ihm die Planung des Transports, den er organisierte und überwachte. Alles schien bestens vorbereitet und Belösy der geeignete Mann, die Fäden in Jugoslawien zusammenzuhalten. Koljatow beugte sich vor und erwähnte einige Punkte, auf die besonders zu achten sei.
    Das Gespräch endete abrupt. Koljatow fragte den Ingenieur nach dem Wetter in Zagreb. Dr. Belösy sah ihn befremdet an. Koljatow hatte die Augen zusammengekniffen. Als er sich zurücklehnte, verhedderten sich die Medaillen an den roten Bändern. Belösy stierte auf den Kopf Lenins, der als Profil in einen Orden gepreßt war.
    »Kühl«, sagte er, »aber kein Schnee.«
    »Und an der Küste?«
    »Im Süden kann man Ende Februar schon wieder baden, kurz vor der albanischen Grenze.«
    Koljatow wollte gehen. Er stand auf und wies höflich zur Türe. Dr. Belösy war verstört. Koljatow gab ihm die Hand.
    »Es hat mich gefreut, ihre Bekanntschaft zu machen.«
    »Meinerseits«, sagte der Ungar.
    Koljatow mischte sich wieder unter die Gäste. Er war zufrieden.
    Ein Sirren schwebte über der Gesellschaft. Die Stimmung war großartig, die Sowjets ließen sich

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