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Sünden der Faulheit, Die

Sünden der Faulheit, Die

Titel: Sünden der Faulheit, Die Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Peltzer
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Saufen schon nicht dosieren konnte, sollte man seine Finger vom Pulver lassen. Die Folge waren andernfalls Räusche, die buchstäblich in der Gosse endeten, was nur im Sommer einen gewissen Reiz hatte. Heute abend bestand keine Gefahr. Lacan schlug mit seinem Fuß den Rhythmus des Jazz.
    »Ham die was?«
    »Wer?« fragte Keitel erstaunt.
    »Na die beiden.«
    »Bis jetzt noch nicht. Ich kenne sie überhaupt nicht. Ist die neu?«
    »Vor einem halben Jahr hatte die Schönheit noch schwarze Haare und war im ›Ritz‹.«
    »War ich schon lange nicht mehr!« Keitel schüttete Sekt nach, Lacan sah sich im Lokal um. Die Jungen mit den Tollen waren gegangen. Eines der Mädchen kam von der Toilette und tuschelte mit ihren Freundinnen.
     
    Die Kellnerin hatte sich mit hochgezogenem Rock auf die Brille gekniet, und Jan stand mit heruntergelassenen Hosen hinter ihr. Die Emailleschatulle lag neben ihrem Höschen auf dem Wasserkasten.
    Lacan spürte, wie ihm der Sekt in den Kopf stieg. Er mußte doch vorsichtig sein. Keitel folgte mit kleinen Pupillen dem Film.
    »Wie geht’s denn sonst so?« unterbrach ihn Lacan.
    »Geschäfte gemacht«, sagte Keitel undeutlich. »’ne Ladung Klamotten importiert.«
    Jan und Keitel gehörten zu den Menschen, die stets auf den Füßen landeten, wie tief sie auch fielen. Ein angetrunkenes Paar versuchte, die Synkopen der Musik in Tanzschritte zu zwingen, und verfing sich im Windfang. Der Barmann beförderte es mit sanftem Druck vor die Türe. Irgendwann schwang sich Jan wieder auf seinen Hocker. Die Mädchen steckten hinter leeren Gläsern die Köpfe zusammen und warfen neugierige Blicke in den Raum. Als die Kellnerin auftauchte, strich sie mit beiden Händen über ihren nach wie vor schlechtsitzenden Rock, und das Wispern der Mädchen übertönte einen Moment lang die Musik.
    »Was steht noch an heute abend?« fragte Jan. Seine Nasenflügel bebten.
    »’n bißchen Geld unter die Leute bringen, würde ich sagen«, antwortete Keitel, ein Vorschlag, zu dem Lacan sich nicht äußern wollte, obwohl er die 500 Mark Hartmanns im Portemonnaie hatte.
    »Wie isses, Bernie, drehen wir ’ne Runde?« fragte ihn Jan.
    »Wenn es im Rahmen bleibt«, sagte Lacan und schielte zur Kellnerin, die Eiswürfel aus der Kühlbox fischte. Der Schlitz ihres Rockes war verrutscht, und endlich sah er den Saum eines Strumpfes und ein Stück weißes Fleisch darüber.
    »Kommt wirklich auf den Rahmen an«, bemerkte Keitel und zog die Nase hoch.
    »Hört mal zu. Ihr kennt doch Schwietzke, was? Schwietzke hat jetzt ’ne piekfeine Wohnung auf der Goethestraße, gleich um die Ecke, und immer Leute da, die gerne spielen. So ganz privat. Ich dachte, da schauen wir heute abend mal vorbei.«
    Als überschwengliche Reaktionen ausblieben, begann Jan noch einmal:
    »Kann ja nichts schaden, wenn man sich sachkundig macht. Schwietzke kennen wir schon seit ewig und drei Tagen – stimmt’s, Keitel? –, und ’n Blick kostet nichts.«
    Die Droge hatte Lacan seltsamerweise nicht in Spiellaune versetzt, aber er wollte auch noch nicht nach Hause gehen. Er sah Keitel an.
    »Na, packen wir’s?«
    Keitel war schon halb im Mantel.
    »Aber immer!«
    Jan legte einen Schein auf die Theke und warf der Kellnerin eine Kußhand zu. Keitel hielt die Türe auf, und das Trio stapfte hinaus vor eine Wand taumelnder Schneeflocken.
     
    »Was macht der Rundfunk? Ich habe dich in letzter Zeit nicht mehr gehört.«
    »Seit wann hörst du Rundfunk?« fragte Lacan.
    »Meist beim Rasieren im Badezimmer«, sagte Jan.
    »Ich habe öfter das Nachtprogramm gemacht, Nightflight.«
    »Nightflight, das paßt ja!«
    »Eben!«
    Dann erzählten sie von ihrer Reise nach Neapel.
    »Ist nichts los da, nachts«, sagte Jan.
    »’n paar Bars und Clubs, und überall mußt du Mitglied werden«, ergänzte Keitel.
    Lacan erinnerte sich an seine Zeit in Neapel. Niemand ahnte, daß er vor Jahren in der Stadt gelebt hatte, in einer billigen Pension zwischen Castel dell’Ovo und Corso Vittorio Emanuele. Als er Lavinia eines Abends sagte, er müsse nach Deutschland, um Geld zu holen, hatten beide gewußt, daß sie sich nie wiedersehen würden.
    Jan und Keitel redeten auf ihn ein, aber Lacan hörte nicht zu. Es war nach elf. Jan schob auf einem Autodach Schnee zusammen und warf die Kugel in ein geöffnetes Fenster. Die drei liefen davon, hinter ihnen echote eine wütende Stimme durch die Straße.
    »Was ist mit Florence?« fragte Keitel.
    »Nichts.«
    »Beruhigend.«
    Jan blieb

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