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Sünden der Faulheit, Die

Sünden der Faulheit, Die

Titel: Sünden der Faulheit, Die Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Peltzer
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nicht lumpen. Ein Röhrenfachmann aus dem Ruhrgebiet war einer Dolmetscherin nähergekommen, die seinen Vorschlag, später im Hotelzimmer weiter zu feiern, schmunzelnd angenommen hatte. Der französische Militärattaché langweilte die Zuhörer inzwischen mit seinem Faible für Durchbrüche, und man versuchte verzweifelt sich abzusetzen.
    Oberst Koljatow trank ein Glas Wein. Er wurde von hinten gerempelt und zog den Bauch ein. Als er sich umdrehte, traute er seinen Augen nicht: Da stand Andrei Grassow, 1944 Leutnant der Infanterie beim Kampf um Lemberg, unverkennbar, er war es. Grassow sperrte fassungslos den Mund auf. Sie hatten damals geteilt, was es zu teilen gab, bis ihre Kompanie bei einem Angriff der Deutschen zerrieben wurde und beide voneinander glaubten, tot zu sein. Grassow war Leiter einer Abteilung des Außenministeriums und für eine Woche zu Gast in Ost-Berlin.
     
    Als Oleg den Oberst in der Nacht durch die Birkenallee nach Hause fuhr, konnte er seinem Drang zur Raserei ungehindert nachgeben. Koljatow hing auf der Rückbank und grunzte zufrieden. Daß er in einem Casino hinter der Staatsoper wilde Tänze mit Grassow getanzt hatte, würde er morgen früh nicht mehr wissen. Auch die Verbrüderungsszenen mit Grassows Delegation fielen wahrscheinlich dem mildtätigen Werk des Gedächtnisses zum Opfer.
    Die Bäume links und rechts bildeten im Scheinwerferlicht einen Tunnel, in dem der Wind die Schneeflocken wirbeln ließ. Die Limousine heulte auf, wenn Oleg schaltete.
    Er half Koljatow die Treppen hoch und zog ihm auf dem Bett die Stiefel aus, doch da schlief der Oberst schon. Morgen würde er eine Infusion brauchen, um auf die Beine zu kommen.
     
    »Aber es ist doch wirklich nicht Florence’ Schuld«, sagte Franz Belasc und verrührte einen Schuß Grenadine im Orangensaft.
    »Gib’ noch eine kandierte Kirsche hinzu!« rief Steenbergen, der ausgestreckt in einem Ledersessel lag.
    »I mein, vor Dieben ist niemand sicher.«
    Steenbergen nippte an der seltsamen Mixtur und schüttelte den Kopf.
    »Darum geht es nicht.« Er hielt das Glas gegen die Stehlampe und drehte es hin und her. »Das durfte einfach nicht passieren, jetzt.«
    »Ist aber passiert!«
    An den Wänden hingen Bilder von Münchner Akademiemalern, das Porträt eines Mädchens, eine Landschaft, ein Stilleben.
    »Meinst, man will dich erpressen?«
    »Mich? Wenn, dann doch die Versicherung, was das Finanzielle betrifft.«
    Belasc durchquerte das Wohnzimmer und setzte sich in den Ledersessel neben Steenbergen.
    »Was ich noch net verstehe, ist, warum die Brüder nur das eine Teil geklaut haben, wo doch noch andere hübsche …«
    »… und wertvolle, genau: wertvolle Sachen rumstanden. Oder hingen.«
    »Vielleicht melden sie sich ja auch beim Lloyd.«
    »Vielleicht«, seufzte Steenbergen. »Oder sie haben es wirklich auf mich abgesehen, wobei das eine so unangenehm wie das andere ist.«
    »Die Presse scheint’s net groß zu interessieren. Sagt Florence.«
    »Ein schwacher Trost, der auch nicht lange vorhält.« Belasc ging zu den Fenstern und ließ die Rolläden fallen.
    »Ist ein bißchen wenig Gin drin«, sagte Steenbergen zu seinem Sekretär gewandt.
    »Soll ich nachfüllen?«
    »Ich sag’ es nur fürs nächste mal.«
    Belasc setzte sich auf den Rand der Truhe und folgte mit den Augen dem Muster des Teppichs.
    »Das ist ein wichtiges Wochenende für uns«, sagte Steenbergen leise, als spräche er mit sich selbst. Dann fuhr er auf.
    »Christ noch mal. Gerade jetzt!«
    »Ist halt nicht mehr zu ändern.«
    »Laß uns vom Geschäft reden.«
    »Es ist alles optimal vorbereitet. Die zwei haben ein Date bei ›telemex‹, wo sie das Manual übergeben, und damit wäre Berlin für uns gestorben.«
    »Ich habe nie ein gutes Gefühl bei letzten Deals«, sagte Steenbergen.
    »Sei’n wir froh, hier wegzukommen. Die Stadt ist irgendwie ein Totenhaus.«
    »Du übertreibst, Franz. Eher ein Terrarium!«
    »Ist mir auch egal. Was machen wir mit der Wohnung?«
    »Auflösen! Nach und nach nach Klagenfurt.«
    »Alles?«
    »Wo denkst du hin? Das Nötigste. Die Küche und die Garderobe. Ich wollte mich da unten nicht häuslich niederlassen.«
    »Und der Rest?«
    »Ins Haus nach Amsterdam. Ich werde umräumen müssen.«
    »Was mir da noch einfällt: Der Makler hat getelext, er hätt’ was Passendes gefunden, ein schickes Appartement, verkehrsgünstig, und er wollt’ einen Grundriß schicken.«
    »Sehr gut«, sagte Steenbergen und streckte den Arm mit dem leeren

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