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Sünden der Faulheit, Die

Sünden der Faulheit, Die

Titel: Sünden der Faulheit, Die Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Peltzer
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war ein Durcheinander von Armen, Jacken, Hosen und dann drückte Florence ihre geöffneten Beine vor die Scheibe, und Lacan liebte sie, bis sie aufschrie und ihn zurückstieß. Als es ihm kam, ergoß sich die Hälfte über ihre Strümpfe und den Sitz. Da ham wir den Salat, dachte Lacan, aber Florence küßte ihn wild, bevor er etwas sagen konnte.
    Lacan rutschte auf den Fahrersitz. Florence suchte eine Zigarette aus ihrer Handtasche, und nach zwei, drei Zügen steckte sie sie ihm in den Mund und schmiegte sich an seine Schulter.
    Lacan wußte nicht, was er von der Szene halten sollte. Ein nicht genau zu beschreibender Zweifel nagte an seinen Eingeweiden, als ahnte er, daß sie ein bestimmtes Ziel verfolgte, auch wenn er in diesem Augenblick jenen törichten männlichen Stolz spürte, mit dem kluge Frauen rechnen.
    »Fahren wir zu dir?« fragte Florence in die Stille zwischen ihnen.
    »Zu mir?«
    »Warum nicht? Ich war noch nie bei dir.«
    Warum eigentlich nicht, dachte Lacan. Über ihrer zärtlichen Stimme hatte er schon alle Einwände vergessen, Irene hatte er auch vergessen.
    »Wenn du dir das zumuten willst«, sagte er zögernd.
    »Komm, fahr los!«
    »Die Benutzung der Achterbahn geschieht auf eigene Gefahr«, murmelte Lacan und manövrierte seinen verbeulten Opel aus der Parklücke.
    Man muß Vertrauen in die Menschen haben, wiederholte er still, als er Florence ansah, die ihre Arme um den Körper geschlungen hatte. Jetzt wußte er, daß er einen Fehler machte, aber er konnte nicht mehr zurück.
     
    Eddie und Assidertürke hatten in Kuttis Bierbar zwei gepanschte Cocktails getrunken.
    »Wat solln wir machen?« fragte Assi.
    »’ne wahnsinnje Sause«, sagte Eddie aufgedreht.
    »Also?«
    »Jehn wir in’t Bordell?«
    Assidertürke schluckte.
    »Mensch, so kenn ick dir ja jarnich.«
    »Siehste mal, wie man sich in’ Menschen täuschen kann!«
    Assi spürte, daß die Gelegenheit für ein Geständnis gekommen war.
    »Ick habe mir in Ilona verliebt.«
    Du weiß’ ja nich’, wat Liebe is’, wollte Eddie böse antworten, aber Assi hatte es ernst gemeint, so ernst, wie es einer meinen kann, der im Leben nie die freie Wahl hatte.
    »Weiß ihr Lude det?« fragte Eddie.
    Assi schüttelte resignierend den Kopf. Aus der Musicbox dröhnte ein Schlager von Rex Gildo: Mamma mia, mamma mia, diese Frau hat Phantasie – ad infinitum. Eddie legte einen Arm um Assi.
    »Mann, Alter, ick kann ja so jut verstehn, wie’t dir jeht.«
    »Ilona kostet 30  Mille«, sagte Assi.
    »Kutti, mach noch ma zwei Pina-Colada!« rief Eddie in die Musik.
    In Assis Augen traten Tränen.
    »Assi, laß jut sein«, sagte Eddie, der so etwas nicht leiden konnte.
    »Allet klar«, sagte Assi und war wieder ganz gefaßt.
    »Wem reißen wir heute noch den Arsch auf?«
    »Lacan! Der wird sein blauet Wunder erleben«, sagte Eddie.
    Auf Assis Gesicht trat triumphaler Glanz.
    »Prosit«, sagte Eddie und hob das mit einem Ananasring verzierte Glas.
    »Prosit.«
     
    Neben dem Dorian-Gray-Club lag ein Trümmergrundstück, das eingeebnet und mit einer Asphaltdecke versehen worden war und als Parkplatz diente.
    Die beiden Ghanesen waren vermummt, als hätte sich die Caritas einen Spaß mit ihnen erlaubt. Bevor sie nach Europa kamen, hatte ihnen der Schlepper in Akkra klugerweise verschwiegen, daß der Winter in Berlin nicht nur aus subtropischen Regengüssen bestand. Der eine hatte einen bunten Wollschal in mehreren Lagen um den Kopf gewickelt, und der andere steckte in Stiefeln mit Plateausohlen, die deutsche Kleiderempfänger entrüstet zurückgewiesen hätten. Die beiden wirkten in der Dunkelheit wie Zombies, ihre Gesichter und Hände waren eins mit der Nacht, und keiner, der sie über den Parkplatz huschen sah, wäre auf die Idee gekommen, daß sie wirklich aus Fleisch und Blut waren.
    Sie bewachten die Autos, und der Besitzer des Clubs sagte: Die ham wat zu tun, und mit ’nem Pfund die Nacht sind se jut bedient. Sie beklagten sich nicht, und sie wehrten sich nicht, nicht gegen die prüfungslose Ablehnung ihres Asylantrags und nicht gegen die demütigenden Tage und Wochen in der Abschiebehaft. Einmal waren sechs von ihnen verbrannt, als sie in einer Silvesternacht ihre Zelle angezündet hatten.
    Wilhelm Mertens erschrak, als der verkleidete Schwarze aus einer Lücke vor sein Auto sprang und ihn einwies. Seine ungelenke Behendigkeit erinnerte an ein verstümmeltes Zootier. Der andere kam hinzu und öffnete die Tür. Mertens raffte seinen Mantel, stieg aus

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