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Sünden der Faulheit, Die

Sünden der Faulheit, Die

Titel: Sünden der Faulheit, Die Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Peltzer
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Beide hatten jene gelblichbraune Sonnenbankhaut, wie man sie auch bei Kindern findet, die zuviel Möhrensaft getrunken haben. Als er Florence sah, kam er an ihren Tisch. Affe, dachte Lacan.
    »Florence, meine Liebe«, sagte der Mann und küßte ihre Hand.
    »Frank, wie geht’s dir?«
    »Glänzend. Übrigens tut es mir echt leid, aber gestern konnte ich beim besten Willen nicht kommen. Wir hatten eine Sitzung bei der Senatsverwaltung, Historisches Museum.«
    Er warf einen mißtrauischen Blick auf Lacan.
    »Entschuldigt mich bitte, aber ich bin in Begleitung.«
    Er beugte sich wieder zu Florence’ Hand.
    »Und grüß’ Steenbergen von mir. Ich würde mich freuen, ihn zu sehen.«
    Das Paar ging an seinen Tisch. Der Mann hatte einen Arm besitzergreifend um die Hüften seiner Freundin gelegt. Lacan schaltete schnell.
    »Sag mal, Steenbergen, ist das nicht der mit dem Oelze?«
    Florence’ Gesicht wurde maskenhaft.
    »Steenbergen, das ist doch der Besitzer des Bildes, oder habe ich das falsch verstanden?«
    »Ja … Steenbergen hatte das Bild der Akademie zur Verfügung gestellt.«
    »Kennst du ihn?«
    »Geschäftlich.«
    Also auch Steenbergen! Welche Geschäfte wickeln Mertens und der Holländer denn von deiner Wohnung ab? dachte Lacan erneut.
    »Warst du mal da?« fragte Florence.
    »Wo?«
    »In der Ausstellung.«
    Jetzt war Bernhard unangenehm überrascht.
    »Ich bin kurz durchgelaufen, es war schon so spät.«
    Florence versuchte, nicht ironisch zu klingen:
    »Hast du den Oelze noch gesehen, oder war er bereits weg?«
    »Er hing noch, aber … er ist mir nicht weiter aufgefallen.«
    »Ist ja auch ein kleines Format«, sagte Florence und lächelte.
    Lacan wurde mißtrauisch. Sie kann nichts wissen, dachte er. Er sah in ihre Augen, aber da konnte man ihre Gedanken nicht lesen.
    Eine Zeitlang aßen sie schweigend. Lacan dachte wehmütig an den Hundertmarkschein und dann an Irene. Florence war außergewöhnlich, ihre Schönheit und ihre natürliche Eleganz hatten ihn von Anfang an gebannt. Daß sie aus einer anderen Klasse kam, erhöhte ihren Reiz ungemein. Wenn er mit ihr schlief, kam Lacan sich wie ein Dieb vor, weil ihre Kühle nicht das Behältnis ungeahnter Leidenschaft war, sondern ihrem Charakter zu entsprechen schien. Lacan war impulsiv und nachgiebig, sie war immer verwöhnt und umworben worden, und er war der erste gewesen, der die Regeln dieses Spiels mißachtet hatte. Vielleicht war das der Grund, warum sie sich in ihn verliebt hatte, wenn man ihre Gefühle denn Liebe nennen will. Es war etwas anderes.
    »Wie sind die Rouladen?« fragte Florence.
    »Zart«, antwortete Lacan kauend und spülte einen Schluck Wein hinterher.
    Hinter ihnen schnatterten die Regisseure, Architekten und Videokünstler. Lacan fiel eine Passage aus Wassermanns ›Etzel Andergast‹ ein, einem Roman, den er mit sechzehn oder siebzehn verschlungen hatte: »… das Neue, von dem sie fabeln, auf das sie pochen, wo ist es? In ihnen selbst, sagen sie. Es gibt kein Neues, es gibt kein Altes. Der Mensch, sein Weg, seine Geburt, sein Tod, alles dasselbe seit 6000 , seit 60000  Jahren …« Von Etzels Gerechtigkeitssinn war nicht allzuviel übrig geblieben, aber so oder ähnlich erinnerte sich Lacan noch an die Worte, als er mit einem Stück Brot über den Grund seines Tellers fuhr.
    »Willst du Nachtisch?« fragte er, doch Florence gab keine Antwort, sondern beugte sich vor und küßte ihn. Zuerst wich Lacan zurück, aber dann erwiderte er ihre Zärtlichkeiten. Die Frage, ob das »Wohlmann« der richtige Ort sei, wurde durch Florence’ Entschiedenheit gar nicht erst gestellt. Lacan wand sich um den Tisch und kniete vor ihr. Sie preßte ihn an sich.
    Lacan fummelte den Schein aus der Tasche, legte ihn neben seinen Teller und zog sie aus dem Restaurant, verfolgt von den Blicken der Gäste und Kellner.
     
    »Wo ist dein Auto?« fragte Florence heiser.
    Lacan deutete in irgendeine Richtung und küßte sie wieder. Es dauerte eine Zeit, bis sie auf diese Weise den Opel erreichten. Florence lag halb über der verschmierten Windschutzscheibe, und Lacan fuhr mit seiner Zunge in ihr Ohr, sie stöhnte.
    Sie schafften es dann doch noch, in den Wagen zu kommen. Lacan hatte Florence noch nie so erlebt. Es schien ihr gleichgültig zu sein, daß sie sich in einem Auto in der Innenstadt befanden. Sie öffnete seine Hose und neigte ihren Kopf. Lacan erschrak und sah durch die beschlagenen Scheiben nach links und rechts, aber es war niemand zu sehen. Es

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