Sünden der Leidenschaft
mache mir ja auch Vorwürfe, daß ich immer an Adam Serre denken muß. Im Grunde genommen bin ich wütend auf mich, daß ich mich in einen solchen oberflächlichen Wüstling verliebt habe – obendrein noch in einen verheirateten.«
»Seine Ehe besteht doch nur noch auf dem Papier«, erinnerte Sarah sie.
»Trotzdem«, seufzte Flora. »Ich habe auch meine romantischen Vorstellungen, Tantchen. Wenn ich daran denke, wie viele Heiratsanträge ich ausgeschlagen habe … Jeder von diesen Männern versprach mir sein Herz und seine Seele – wie moderne Troubadoure.«
»Offensichtlich warst du aber nicht auf der Suche nach einem Troubadour«, bemerkte ihre Tante trocken.
»Er ist aber kein vernünftiger Kandidat für … was? Ich kann noch nicht mal ›Ehemann‹ sagen, schließlich ist er bereits mit einer anderen verheiratet«, stellte Flora unglücklich fest.
»Das Wort ›vernünftig‹ fand ich immer reichlich unpassend im Zusammenhang mit Liebe«, erklärte Sarah. »Frag deinen Vater, wenn du daran zweifelst.«
»Ich weiß«, antwortete Flora ruhig. »Er erzählte mir davon, daß Mama darauf bestanden hat, ihn zu heiraten, und wie sehr sie sich geliebt haben. Weil Papa auch ein Romantiker ist, hat er mich hierher in den Osten geschickt.« Sie seufzte wieder. »Leider ist Adam Serre nicht im geringsten romantisch.«
»Vielleicht kann er es lernen«, sagte Sarah sanft. Sie hatte die eine oder andere Idee, wie man bei Adam Serre die romantischen Gefühle wecken konnte. Und sie beabsichtigte, sofort heute abend damit anzufangen. »Warum ruhst du dich nicht kurz aus, Liebes? Wir wollen doch keine dunklen Ringe unter deinen Augen.«
»Bitte, Tantchen, ich bin keine Dirne, die verkauft werden soll«, protestierte Flora. »Du brauchst mich auch nicht zum Ausruhen zu schicken, damit ich in Bestform vor den Käufern erscheine.«
»Verzeih bitte, Schatz«, entschuldigte sich Sarah mit einem freundlichen Lächeln. »Das ist die Macht der Gewohnheit, nach all diesen Jahren. Sowohl Bella als auch Becky konnte man die Müdigkeit unter den Augen ansehen. Du siehst wunderbar aus. Vielleicht möchtest du statt dessen etwas lesen, bis wir uns zum Abendessen umziehen müssen. Aber mich mußt du jetzt entschuldigen, denn ich habe einige Briefe zu beantworten.« Sie zog eine Grimasse. »Es ist eine ewige Verpflichtung, aber wenn man weiterhin Post bekommen will, muß man sie eben auch beantworten«, fuhr sie mit einem liebevollen Lächeln fort. »Wir haben zugesagt, um zwanzig Uhr bei Charlotte zu erscheinen. Ein einfaches Kleid wird genügen – es ist eine Party im Familienkreis.«
»Ich bin nicht sicher, ob ich mitgehen möchte«, sagte Flora unzufrieden. »Die Vorstellung, den ganzen Abend über vergnügt sein zu müssen, scheint mir sehr anstrengend, und Adam wird wahrscheinlich erst spät erscheinen. Er verläßt die Kasinos nicht vor neun.«
»Mach mir die Freude, Liebes«, beschwatzte ihre Tante sie. »Du willst zwar nicht lange in Saratoga bleiben, aber ich möchte dich gern allen Freunden deiner Mutter vorstellen. Weißt du, deine Mama war diejenige, die sich deine eigenwillige Erziehung ausgedacht hat. In der Nacht, als sie auf dem Unglücksschiff in der Straße von Malacca im Sterben lag, bestand sie darauf, daß ich ihre Wünsche aufschrieb, und sie schloß ihre Augen nicht, bevor jede ihrer Ideen festgehalten war. Dein Papa und ich haben die Aufzeichnungen unterschrieben. Sie verlangte unser Ehrenwort, und dann, als wir alles richtig verstanden hatten, wollte sie, daß du heimgebracht wurdest. Sie ergriff deine kleine Hand und flüsterte, daß sie dich liebe, und erst danach schloß sie ihre Augen. Sie fiel innerhalb weniger Minuten ins Koma – nur die Willenskraft hatte sie bis dahin bei Bewußtsein gehalten. Aber Susannah war die entschlossenste Frau, die ich jemals kennengelemt habe, und sie wäre so froh gewesen, wenn du nach ihr geraten würdest.«
»Ich erinnere mich, daß ich dachte, sie schliefe nur«, sagte Flora versonnen. »Sie sah so friedlich aus mit ihren geschlossenen Augen und den langen seidigen Haaren, die über dem Kissen ausgebreitet waren.«
»Dein Vater hatte sie kurz vorher noch gebadet, ihre Haare gewaschen und das Medaillon mit deinem und seinem Bild um ihren Hals gelegt. Sie wolle so gut wie möglich aussehen, hatte sie ihn geneckt, sogar auf dem Totenbett. Susannah war sehr schön – so wie du«, fügte Sarah leise hinzu. »Deinem Vater hat ihr Tod das Herz gebrochen. Sie wäre ihm bis
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