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Sünden der Nacht

Sünden der Nacht

Titel: Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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angezogen, also total eingemummt. Aber sie glaubt, sie könnte ihn erkennen, wenn sie ihn wiedersähe.«
    »Sie glaubt? Sie könnte?« Paul zog ein Feuereisen aus dem Ständer des Messingkaminbestecks und machte sich am Feuer zu schaffen, stocherte in den glühenden Scheiten, daß ein Funkenregen aufflog.
    »Es ist besser als nichts.«
    »Es ist nichts!« Er wirbelte mit dem Eisen in der Hand herum.
    Sein hageres Gesicht war wutverzerrt. »Ihr habt nichts! Mein Sohn liegt irgendwo tot in einem Winkel, und ihr habt nichts!
    Ihr schafft es ja nicht einmal, den einzigen Verdächtigen, den ihr habt, am Leben zu erhalten!«
    Hannah fuhr ihn entnervt an: »Hör auf!«
    Er beachtete sie nicht, seine Wut konzentrierte sich im 481
    Augenblick ganz auf Mitch und Megan. »Ihr seid viel zu sehr damit beschäftigt, euch gegenseitig zu ficken, als daß ihr euch Sorgen machtet um meinen Sohn …«
    »Paul, um Himmels willen!«
    »Was ist denn los, Hannah?« fragte er und ging auf sie zu, das Eisen fest mit einer Hand umklammert. »Hab ich deine
    Empfindsamkeit beleidigt?«
    »Du hast jeden beleidigt.«
    »Das ist mir egal. Sie haben alles vermasselt, und mein Sohn muß dafür bezahlen …«
    »Er ist auch mein Sohn.«
    »Ach, wirklich? Hast du ihn deshalb auf der Straße
    stehenlassen, damit er gekidnappt und ermordet werden kann?«
    schrie er und schleuderte das Kamingerät beiseite. Es knallte gegen die Wand und fiel zu Boden.
    Hannah konnte kaum Luft holen, um zu antworten. Wenn er ihr das Feuereisen in den Leib gerammt hätte, hätte er sie nicht so verletzt.
    »Du gemeiner Lump!« flüsterte sie zitternd.
    »Paul!« zischte Mitch und packte ihn grob an der Schulter,
    »gehen wir in dein Arbeitszimmer.«
    Paul entwand sich seinem Zugriff. »Damit du mir einen
    Vortrag halten kannst, wie ich meine Frau unterstützen soll«, sagte er verächtlich. »Ich glaube nichts. Nichts, was du sagst, interessiert mich.«
    »So ein Pech aber auch.« Mitch packte ihn erneut und
    dirigierte ihn zu seinem Arbeitszimmer.
    Hannah sah ihnen nicht nach. Sie konzentrierte sich mit aller Kraft darauf, nicht die Beherrschung zu verlieren, durchquerte das Zimmer, hob das Feuereisen auf und stellte es zurück in den Ständer. Ihre Hände zitterten so heftig, daß sie sich nicht vorstellen konnte, wie sie jemals in Ruhe ein Skalpell gehalten 482
    hatte.
    »Also«, sagte sie und wischte sich die Hände an ihren Jeans ab, »das war wirklich häßlich.«
    »Hannah …«,begann Megan.
    »Und gräßlicherweise ist es wahr … alles meine Schuld!«
    »Nein. Sie haben sich verspätet. Das hätte Sie nicht Josh kosten sollen.«
    »Aber es hat.«
    »Das war der Mann, der beschlossen hatte, Josh zu entführen.
    Sie hatten keine Kontrolle über seine Entscheidung.«
    »Nein«, murmelte sie. »Und jetzt hab ich nichts mehr unter Kontrolle. Wegen diesem einzigen Augenblick fällt mein Leben auseinander. Wenn ich es geschafft hätte, das Krankenhaus zu verlassen, bevor Kathleen um diese Ecke gebogen ist, um mich zurückzurufen, dann wäre Josh hier. Ich würde ihn heute wieder vom Eishockey abholen. Josh würde sich beklagen, weil er um sieben zum Religionsunterricht müßte. Ein Augenblick. Eine Handvoll Sekunden. Ein Herzschlag.« Sie starrte ins Feuer und schnippte mit den Fingern. »Eine Unachtsamkeit, und dieser Autounfall wäre nie passiert. Ich wäre nicht in die Notaufnahme zurückgerufen worden und Josh nicht allein gewesen – wir würden jetzt nicht hier stehen und die Hände ringen, weil mein Mann mir die Schuld zuschiebt …«
    Sie ließ den Gedanken verlöschen. Es gab kein Zurück,
    sondern nur ein Vorwärts in die Ungewißheit. Sie ließ sich erschöpft in einen Stuhl fallen und zog die Beine hoch.
    Gedämpfte wütende Stimmen waren durch die geschlossene Tür zu Pauls Arbeitszimmer zu hören.
    Hannah kratzte an einem getrockneten Fleck auf dem Knie ihrer Jeans. »Ich würde auch gerne zurückgehen und diesen Augenblick finden, in dem Paul sich verändert hat«, flüsterte sie. »Er war einmal ganz anders. Wir sind so glücklich 483
    gewesen.«
    Megan wußte nicht, wie sie reagieren sollte. Austausch von Vertraulichkeiten mit anderen Frauen waren noch nie ihre Stärke gewesen.
    Dank ihrem mangelnden Talent für Beziehungen hatte sie keine Erfahrungen, aus denen sie Weisheit schöpfen konnte. Sie flüchtete sich in das einzige, was sie beherrschte, nämlich das Fahnden. »Wann hatten Sie zum ersten Mal bemerkt, daß Paul sich ungewohnt

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