Sünden der Nacht
heißen?«
»Sie kommen nicht weiter. Vielleicht brauchen Sie jemanden, der alles aus einer neuen Perspektive sieht.«
»Ich werde allein mit diesem Fall fertig, Bruce«, fauchte sie.
»Natürlich. Meiner Meinung nach kann, wenn nichts mehr vorwärtsgeht, ein Neubeauftragter vielleicht wieder etwas in Gang bringen.«
Mich rausekeln, dachte Megan zornig. Der Spielplan war schmerzlich klar. DePalma würde einen anderen Agenten
schicken, der sich still und heimlich ihre Autorität unter den Nagel riß, und wenn die Zügel dann in anderen Händen lagen, 475
würde man sie in aller Stille ins Hauptquartier zurückberufen.
Kein Aufruhr, keine Probleme, alles schön amtlich, genau wie es die Lamettaträger wollten.
»Das wäre vermutlich ein Fehler.« Sie grapschte verzweifelt nach dem traurigen Resten ihrer Beherrschung. »Jeder, der neu hinzukommt, müßte sich durch alle Aussagen kämpfen, Zeugen neu vernehmen, sich mit den Familien vertraut machen – und offengestanden, brauchen die nicht noch mehr Aufruhr in ihrem Leben.«
»Ich werde dran denken. Inzwischen, Megan, sorgen Sie dafür, daß es vorangeht! Verstehen Sie, was ich meine?«
»Vollkommen.«
Sie verabschiedete sich, legte den Hörer auf und streckte ihm die Zunge aus. »Und nenn mich nicht Megan, wenn ich sauer auf dich bin«, wiederholte sie ätzend.
»Ja, Ma’am«, erwiderte Mitch, dessen Kopf gerade in der Tür klemmte.
Megan sah hoch zu ihm, zu erschöpft und zu besorgt, um ein Lächeln zu mimen. »Auf dich bin ich nicht sauer.«
Er schlenderte mit der Jacke über der Schulter in ihr Büro.
»Was hast du denn mit deiner Hand gemacht?«
Er verzog mißmutig den Mund, als er seine geschwollenen Handknöchel betrachtete. »Ich hatte das Bedürfnis, irgendwo dagegenzuhauen.«
»Gegen was – eine Ziegelwand?«
»Steigers Nase.«
Sie zog erstaunt die Brauen hoch. »Schade, Chief, um das zu sehen, hätte ich Eintritt bezahlt!«
»Besser ohne Zeugen«, sagte er mit einem Schulterzucken.
»Steiger hat Paige Price Informationen zugeschanzt. Ich habe nur mein Mißfallen zum Ausdruck gebracht.«
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Ihr Zorn über die ungerechte Welt ließ ihre Zornesadern schwellen. »Sie fickt Steiger, um Informationen zu kriegen, und besitzt die Frechheit, bei einer Pressekonferenz aufzustehen und mit dem Finger auf mich zu zeigen. Ich hätte nichts dagegen, selbst mal zuzuhauen.«
»Wenn du ihr auch nur ein Haar krümmst, verlierst du mehr als deinen Job.« Mitch strich mit dem Finger über ihr
Messingnamensschild. Er nahm es in die Hand und drehte es um: TAKE NO SHIT, MAKE NO EXCUSES. »Was hatte
DePalma auf dem Herzen?«
»Was er gesagt hat, oder was er gemeint hat? Offiziell geben sie wegen Gerüchten über einen Agenten keinen Kommentar ab.
Sie werden ihr volles Vertrauen in mich so vage wie möglich ausdrücken. Offiziell schicken sie möglicherweise einen Agenten, ›der mir bei der Ermittlung helfen soll‹. Wenn das passiert, wird er am Ende meinen Job haben, und ich werde in einem Keller im Hauptquartier versauern beim Papierkram für kleine Betrügereien.«
Mitch folgte ihr erbost zum Ende des Schreibtischs, als sie sich zum Kleiderständer wandte. »Ich wünschte, du würdest mich mit ihm reden lassen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Meine Schlachten schlage ich selbst.«
»Das nennt man Unterstützung eines Freundes, Megan.«
Sie drehte sich um, legte den Kopf zurück und sah hoch zu ihm. Er war ihr wieder zu nahe, versuchte sie einzuschüchtern, machte sie darauf aufmerksam, daß er größer und stärker war und fähig, sie zu beherrschen – oder zu beschützen. Ein Teil von ihr fand die Vorstellung verlockend, aber diesem Teil würde sie sich nicht unterwerfen.
»Man nennt das falsche Informationen geben, und das hab ich hiermit getan«, sagte sie. »Ich werde nicht zulassen, daß du meinetwegen lügst, basta.«
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Ihre Antwort duldete keinen Widerspruch. Mitch sagte nichts, während er zusah, wie sie sich den riesigen Daunenmantel überstreifte. So verdammt dickköpfig. So verdammt
unabhängig. Er wollte, daß sie sich an ihn lehnte, stellte er zu seinem Erstaunen fest.
Er wollte ihr helfen, ihre Ehre verteidigen. Altmodische Vorstellungen, und sie war keine altmodische Frau –
Vorstellungen, die nach Verpflichtung rochen, etwas, was sie angeblich beide nicht wollten!
»Wir werden damit fertig«, murmelte er, war sich aber nicht sicher, welchen Aspekt dieser verworrenen Geschichte er damit meinte.
Womit? hätte Megan am
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