Sünden der Nacht
Das konnte keiner.«
»Ja, also …« Mitch gähnte übertrieben und richtete sich auf.
»Die Leute machen seltsame Sachen, Olie. Wir sollten ihn uns mal anschauen, nur um sicher zu gehen. Würd’s dir was
ausmachen, ihn mir zu zeigen?«
»Sie haben keinen Durchsuchungsbefehl.« Olie bedauerte sofort, das gesagt zu haben. Mitch Holts Blick richtete sich auf ihn wie der Laser eines Zielfernrohrs.
»Soll ich mir einen besorgen, Olie?« Seine leise, täuschend sanfte Stimme jagte Olie Kälteschauer über den Rücken.
»Ich weiß gar nichts!« schrie Olie und schlug gegen einen Stapel Bücher auf einem Fernsehtisch. Sie polterten mit einem Getöse wie Felsbrocken auf den Betonboden. »Ich hab nichts getan!«
Mitch beobachtete den Ausbruch mit steinerner Miene, zeigte nichts von der Spannung, die sein Inneres wie eine Feder zusammenzog.
»Dann hast du auch nichts zu verstecken.«
Sein Verstand arbeitete fieberhaft. Wenn Olie jetzt mit einer Durchsuchung des Fahrzeugs einverstanden wäre und sich dabei etwas ergab, würde der Richter später das Beweismaterial als 220
ungültig verwerfen mit der Begründung, daß es keinen
Durchsuchungsbefehl gegeben hatte, und die Einwilligung unter Zwang gegeben wurde.
Ohne eine einwandfreie Identifizierung des Fahrzeugs hatte Mitch keine Chance, einen Durchsuchungsbefehl zu erlangen, und er bezweifelte, daß Olie ein Einwilligungsformular unterzeichnen würde.
Verdammte Verfahrensregeln. Er hatte hier ein vermißtes Kind, und das zu finden war wichtiger als jegliche
Anforderungen eines Gerichts. Wenn Olie zuließ, daß er sich den Van anschaute und er etwas dort sah, könnte der das Fahrzeug abschleppen lassen mit der Begründung, daß es an der Gordie Knutson Memorial Arena nicht parken dürfte. Wenn das Fahrzeug erst einmal beschlagnahmt war, könnte er eine Liste des Inhalts erstellen, und alles Verdächtige auf dieser Inventur-liste würde sie dazu berechtigen, einen Durchsuchungsbefehl zu beantragen mit anschließender Beschlagnahme.
Okay. Er hatte seinen legalen Plan, jetzt war Olie am Zug.
Olie starrte ihn wütend an, den Mund total verkniffen. Das Feuermal, das sich über seine Stirn ergoß, schien dunkler zu werden, der Rest seine Gesichts erblaßte. Er hob zitternd die Hand und deutete auf Mitch.
»Ich hab nichts zu verstecken«, bockte er.
Das Auge, das Mitch trotzig anstarrte, war aus Glas. Das andere glitt beiseite.
TAGEBUCHEINTRAG TAG 2
Sie bewegen sich im Kreis.
Immer nur im Kreis – werden Sie Josh finden?
Wir glauben es nicht.
221
Kapitel 13
TAG 3
5 Uhr 51, -12 Grad
Megan verschlief, träumte erregende Geschichten von Harrison Ford.
Sie öffnete blinzelnd die Augen, aber die Gefühle
verschwanden nicht gleich – verbotenes Verlangen und ein üppiges, schweres Gefühl von Lust, Schuld und Befriedigung, der Geschmack von Mitch Holts Kuß, seine Hände auf ihrem Körper, sein Mund auf ihrer Brust … Sie starrte hoch zu den Haarrissen in der Decke. Das Licht der Morgendämmerung sickerte durch die Stores ins Zimmer, tauchte alles in graue Nuancen, eine unwirkliche Szenerie. Sie lag unter den zerknüllten Laken und ihrer Steppdecke; ihr Herz klopfte langsam, kräftig, sie fühlte sich durchgewärmt, die Nervenenden vibrierten.
Gannon hatte sich an sie gekuschelt, an seiner Lieblingsstelle, hinter ihrem Knie. Friday war sicher schon in der Küche, auf der Suche nach Frühstück.
Megans Gedanken wanderten auf verbotenes Gebiet, und sie fragte sich, ob Mitch vielleicht auch von diesem Kuß geträumt hatte, fragte sich, ob dieses Gefühl auch über seinem Bett wie eine greifbare Wolke hing.
Nicht sehr klug, darüber nachzudenken! Er sollte einfach nur ein Kollege sein, mit dem sie arbeiten mußte. Aber sie hatte das dumpfe Gefühl, daß nichts an Mitch Holt einfach war. Hinter dieser Jedermannsfassade verbarg sich ein komplexer Kern von Zorn und Verlangen und Schmerz. Sie hatte diese Dinge in seinen Augen gesehen, in seinem Kuß geschmeckt, und
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versteckte Rätsel zogen sie an. Schlichtem Sex-Appeal hätte sie widerstehen können, aber einem Rätsel? Für sie ging von Rätseln grundsätzlich eine Faszination aus.
Aber vorerst müßte sie einem dringenderen Unbekannten auf die Spur kommen. Die Schuldgefühle, die sie bei dem Gedanken überfielen, trieben Megan aus dem Bett und unter die Dusche.
Megan ließ das Wasser in vollem Strahl auf sich herunterprasseln, in der Hoffnung, es würde die Benommenheit aus ihr hinaus-schwemmen. Ihr Kopf
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