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Sünden der Nacht

Sünden der Nacht

Titel: Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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überwachsen, und so kam keiner dem Schuppen zu nahe. Olie hatte so getan, als gehöre der Schuppen ihm, sein Versteck, um Prügeln zu entgehen oder sich nach schlimmen Prügeln zu erholen. Im Schuppen war er sicher.
    Und das Gefühl von Geborgenheit hatte er auf diesen Ort übertragen. Die Garage war klein und dunkel. Ein Kabuff. Er füllte es mit Büchern und dem Zeug, das er in Trödelläden kaufte, ließ nie jemanden herein, aber dem Polizeichef konnte er den Eintritt nicht verweigern. Hinter seinem provisorischen Schreibtisch ging er in Deckung und streichelte seinen Computermonitor, als wäre er eine Katze.
    Mitch mußte sich beim Eintreten ein wenig ducken. Er sah sich unauffällig in Olies Domäne um. Es gab nur einen Raum: ein dunkles, kaltes Zimmer mit schmutzigem, blauem
    217
    Allzweckteppich auf dem Betonboden. Die Küche bestand aus einem uralten Kühlschrank und einem olivgrünen Elektroherd vom Müllplatz. Das Badezimmer war durch zwei ungleiche Vorhänge, die an einem Draht hingen, abgetrennt. Der Vorhang klaffte, so daß man die winzige Dusche sehen konnte.
    »Nett hast du’s hier!«
    Olie sagte nichts. Er trug dieselbe grüne Fliegerjacke, denselben dunklen Wollpullover und dieselben fingerfreien Ragg-Handschuhe, die er gestern abend angehabt hatte. Mitch fragte sich, ob er im Winter überhaupt die Kleidung wechselte.
    Und ob er je diese Dusche benützte. Der Raum stank nach ungewaschenen Füßen. Er sah sich nach einen Sitzplatz um, um Olie zu beruhigen, aber lehnte sich dann doch lieber an das Seitenteil einer zerfledderten alten Couch. Überall waren Bücher. Regale über Regale voller Bücher. Die wenigen Möbel, die es gab, dienten alle nur als Unterlagen für Bücher. Und wo sich keine Bücher stapelten, standen Computerteile. Mitch zählte fünf PCs.
    »Woher hast du denn die ganzen Computer, Olie?«
    »Von verschiedenen Adressen aus den Twin Cities. Die
    Geschäfte werfen sie weg, wenn sie veraltet sind. Ich hab sie nicht gestohlen.«
    »Das hab ich auch nicht geglaubt. Ich versuch nur
    Konversation zu machen, Olie«, Mitch lächelte. »Geschäfte schmeißen die weg? Keine schlechte Beobachtung. Wie hast du denn das rausgefunden?«
    Olie setzte sich vorsichtig in seinen Stuhl. Sein sehendes Auge huschte zwischen Mitch und dem Computer hin und her. Das Glasauge starrte Mitch unverwandt an. »Professor Priest.« Seine Hand zuckte zum Keyboard, schlug eine Taste an. »Er läßt mich manchmal am Unterricht teilnehmen.«
    »Er ist ein netter Kerl.«
    Olie sagte nichts. Er schlug auf eine andere Taste, und das 218
    Bild verschwand.
    »Und was machst du mit all diesen Geräten?«
    »So Zeug.«
    Mitch quälte sich ein weiteres Lächeln ab und seufzte leise.
    Olie, der Konversationskünstler! »Also, Olie, hast du heute abend gearbeitet?«
    »Ja.«
    »War nach halb sechs noch was los in der Eishalle?«
    Er zuckte die Schultern. »Schlittschuhclub.«
    »Die haben wohl für die Show am Sonntagabend geprobt?«
    Olie betrachtete das als rhetorische Frage.
    »Ich wollte dir ein paar Fragen wegen gestern abend stellen«, sagte Mitch.
    »Ihr habt diesen Jungen nicht gefunden?«
    Es schien mehr eine Feststellung als eine Frage zu sein. Mitch beobachtete ihn sehr genau, mit reglosem Gesicht. »Noch nicht, aber wir suchen intensiv. Wir haben ein paar Spuren. Ist dir schon was eingefallen, was uns vielleicht helfen könnte?«
    Olies intaktes Auge starrte das Keyboard an. Er zupfte einen Fussel von einer der Tasten.
    »Jemand glaubt, er hätte Josh gestern abend in einen Van steigen sehen. Ein Van, der ein bißchen so aussah wie deiner –
    älteres Modell, helle Farbe. Du hast doch keinen solchen Van gesehen, oder?«
    »Nein.«
    »Du hast deinen Van niemandem geliehen, oder?«
    »Nein.«
    »Hast du die Schlüssel steckenlassen?«
    »Nein.«
    Mitch nahm ein Buch von dem Stapel auf der Couch und sah 219
    sich den Titel an. Geschichte der irischen Rasse. Er fragte sich, ob Olie Ire war oder einfach nur neugierig. Das einzige, was er über ihn wußte, war seine Abnormität.
    Olie sprang von seinem Stuhl hoch. Seine Brauen zogen sich über den verschiedenen Augen zusammen und verzerrten das portweinrote Feuermal auf seiner linken Gesichtshälfte. »Es ist nicht mein Van.«
    »Aber du warst doch in der Eishalle«, beharrte Mitch. Er legte das Buch beiseite und steckte die Hände in die Jackentaschen.
    »Du hast die Kehrmaschine gefahren, richtig? Vielleicht hat einer deinen Van benutzt, ohne zu fragen?«
    »Nein.

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