Sünden der Nacht
– geschweige denn mir in die Augen schauen. Mein Bauch sagt mir, er verschweigt etwas, und das will ich haben.«
»Es hat vielleicht gar nichts mit Josh zu tun«, Mitch war irritiert. »Vielleicht mag er keine weiblichen Cops. Vielleicht hat er Schuldgefühle, weil er an diesem Abend nicht für Josh da war. Diese Art von Schuld kann einen Mann in Stücke reißen.
Vielleicht sehen Sie genauso aus wie das Mädchen, das ihm damals zum Abschlußball einen Korb gegeben hat.«
»Wo war er denn vorgestern abend?« Megan gab nicht klein bei. »Warum konnte Hannah ihn nicht erreichen?«
»Er steckte mitten in der Arbeit.«
»Hannah hat ihn wiederholt angerufen, und er ist nicht ans Telefon gegangen.«
»Er hatte in einem Konferenzraum am Ende des Korridors zu tun.«
Sie sah ihn ungläubig an. »Und er kommt in sein Büro zurück 246
und ignoriert das rote Blinklicht auf seinem Anrufbeantworter?
Wer macht so was? Und wenn wir schon mal dabei sind, wer kann das bestätigen?«
»Ich weiß es nicht«, gab Mitch zu. »Das sind gerechtfertigte Fragen, aber ich werde derjenige sein, der sie stellt.«
»Weil Sie der Boß sind?« spottete Megan.
Die Muskeln an seinem Hals traten hervor. Eine Granitplastik hätte nicht abweisender aussehen können. »Ich hab Ihnen gesagt, bringen Sie mein Boot nicht ins Wanken, O’Malley. Das ist meine Stadt und meine Ermittlung. Wir werden das auf meine Art durchziehen«, blaffte er. »Es gibt hier nur einen Leithund, und der bin ich. Ist das klar?«
»Und ich soll wohl bei Fuß gehen oder wie ein braves
Schoßtier sitzen bleiben?«
»Den Vergleich haben Sie jetzt gebracht, nicht ich«, wehrte er ab. »Dieser Fall liefert der Presse ohnehin genug Stoff. Keinesfalls soll auch noch Paul wie eine Rakete vor ihnen explodieren.«
»Zumindest in dem Punkt sind wir uns einig. Noch mehr
Sendezeit brauch ich wie ein Loch im Kopf, trotzdem vielen Dank«, sie schüttelte den Kopf. »DePalma hat bereits drei Nachrichten hinterlassen, ich soll ihn zurückrufen, damit er mich wegen dem Artikel in der Star Tribune fertigmachen kann.«
»Und Sie haben sie ignoriert?« frotzelte er, »wer macht denn so was?«
Megans Augen wurden schmal. »Er ruft mich nicht an, um mir zu sagen, daß ein Kind verschwunden ist. DePalma will mir seine Zähne in den Hals graben und mich beuteln wie eine Ratte
– übrigens würde ich zu gerne dabei sein, wenn jemand so etwas mit diesem Arsch Henry Foster macht.«
»Vielleicht könnten wir das als Medienereignis gestalten«, schlug Natalie vor, die gerade das Büro betrat. Sie sah 247
stocksauer aus. »Paige Price setzen wir auf die Liste dazu.
Jemand hat ihr das mit den Botschaften gesteckt.«
»Nein«, sagte Mitch, als ob er es damit aus der Welt schaffen könnte.
Ihm wurde ganz flau im Magen, als Natalie keine Anstalten machte, es abzustreiten.
»TV 7 hat gerade einen Live-Bericht von der Treppe des Gerichtsgebäudes aus gesendet. Paige Price hat der Welt die Worte vorgelesen, die sie gefunden haben. Sie sagte, sie stammten aus einem Laserdrucker und wären auf gewöhnlichem Papier gedruckt.«
»Scheiße.« Mitch rieb sich mit der Hand übers Gesicht und stellte sich vor, wie Hannah sich fühlen würde, wenn sie hörte, wie diese Zeilen laut im Fernsehen vorgelesen wurden, dachte an Pauls Zorn.
Malte sich aus, wie jeder Irre im Staat seinen Laserdrucker warmlaufen ließ. Und legte im Geiste seine Hände um Paige Price’ Hals, drückte langsam zu.
»Gottverdammte Scheiße«, fauchte er. Kochend vor Wut
wandte er sich Natalie zu. »Ruf Hannah an und sag ihr, ich bin unterwegs zu ihr und sag ihr, warum. Funk Steiger an. Sag ihm, ich brauche Paul so schnell wie möglich, und er soll ihn möglichst unauffällig von der Suche abziehen.«
Er ratterte die Befehle herunter wie ein General an der Front, ein Mann, der es gewohnt war, Befehle zu geben, denen man bedingungslos gehorchte. Der Leithund, dachte Megan,
Anführer des Rudels.
Seine Assistentin nickte und blätterte den Stapel rosa Telefonnachrichten durch, den sie dabeihatte, sortierte sie nach Dringlichkeit.
»Nur damit du’s weißt, Professor Priest und seine Studenten richten sich in dem leeren Laden neben der Einsatzzentrale ein –
248
war mal ein Elektrogeschäft. So wie’s aussieht, zieh’n die Freiwilligen auch dort ein. Es sind so viele, daß sie nicht mehr ins Feuerwehrhaus passen.«
»Gehen Sie hin und schauen Sie sich an, was die da auf die Beine stellen«, befahl Mitch Megan, da
Weitere Kostenlose Bücher