Sünden der Nacht
ihr Laser aus dem Kopf zu wachsen. Megan rechnete fast damit, daß er sie gleich mit dem Finger durchbohren und ›Ketzerin‹ schreien würde. Er rang nach Luft, die bedrohlich in seiner Kehle rasselte. Die Rosenkranzriege verstummte und sah sie mit offenem Mund an.
Die Spannung wurde jäh von den fröhlichen Weisen eines Gameboy unterbrochen. Alle Köpfe drehten sich in Richtung Sakristei, wo ein interessanter Mann in den Dreißigern sichtbar wurde, den Kopf über den Apparat gebeugt. Breite Schultern sprengten schier die Nähte eines Notre-Dame-Sweatshirts. Seine beigen Cordhosen waren zerknittert, und er trug Cowboystiefel.
Das Lied endete mit einer Reihe von Piepsern, er machte eine Faust und flüsterte: »Jawohl, zwölf-einundfünfzig!«
Megan vermutete, daß ihn wohl die ominöse Stille den Kopf heben ließ. Er blinzelte die versammelten Menschen durch seine goldgeränderte Brille an. Eine leichte Röte überzog sein Gesicht, und er schaltete das Spiel aus.
»Störe ich etwa?« flüsterte er, und sein etwas verwirrter Blick landete auf Megan.
»Agent Megan O’Malley, BCA«, stellte sie sich automatisch vor. »Ich brauche ein paar Minuten von Pater McCoys Zeit.«
»Oh? Na schön. Ich bin Pater Tom McCoy.«
»Aber …« Megan warf einen Blick auf den hageren Alten.
McCoy runzelte die Stirn. »Albert, danke, daß Sie Miss O’Malley in meiner Abwesenheit unterhalten haben.« Er nahm Megans Arm, sanft aber bestimmt, und führte sie dahin, wo er hergekommen war, den Kopf zu ihr gebeugt. »Albert ist sehr fromm«, flüsterte er. »Um ehrlich zu sein, er wird Ihnen mit Feuereifer erzählen, daß er für meinen Job besser qualifiziert ist als ich.«
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»Ich glaube, er würde mir alles mit Feuereifer erzählen«, beichtete Megan. »Soeben wollte er mich mit Weihwasser übergießen, um zu sehen, ob ich brenne.«
McCoy dirigierte sie zu einem Stuhl und schloß die Tür seines Büros.
»In einer anderen Zeit hätte man Albert Fletcher
wahrscheinlich als Zeloten bezeichnet. In den Neunzigern, wo Kirchenpersonal Mangelware ist, bezeichnen wir ihn als Diakon.«
»Ist er da oben ganz richtig?« Sie tippte sich an die Stirn.
»Er hat einen Universitätsabschluß vom Northwestern. Ein sehr intelligenter Mann, unser Albert.« Pater Tom ließ sich in den Stuhl mit der hohen Lehne hinter seinem Schreibtisch fallen und drehte ihn hin und her. »Im Hinblick auf die Gemeinde ist er nicht gerade ein Partylöwe. Er hat vor drei Jahren seine Frau verloren, zusätzlich ein mysteriöses Magenleiden, das nie richtig diagnostiziert werden konnte. Nachdem sie gestorben war, hat er sich immer mehr der Kirche gewidmet.«
»Besessen von ihr klänge wohl richtiger?«
McCoy sah sie an und hob die Schultern. »Wo soll man die Grenze zwischen Frömmigkeit und Besessenheit ziehen? Albert funktioniert beispielhaft, hält Haus und Hof makellos in Ordnung, gehört Bürgergruppen an. Er hat sein Leben und verbringt freiwillig einen Großteil davon hier.«
Der Pater schob seinen Gameboy beiseite und warf ihr einen verlegenen Blick zu. »Das hier hält mich bei Verstand, wenn die Last der Welt ein bißchen zu schwer wird.« Das Lächeln verblaßte. »Meine Therapie hat sich die letzten Tage leider nicht ausreichend bewährt.«
»Josh Kirkwood.«
Der Priester schüttelte den Kopf. »Mir bricht jedesmal, wenn ich dran denke, das Herz. Wer weiß, was er durchmachen muß.
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Und Hannah … Das bringt sie um. Sie zerfleischt sich damit, nach irgendeiner logischen Erklärung zu suchen; aber man kann solche Geschehnisse nicht begreifen.«
»Ich dachte, Sie hätten Antworten darauf.«
»Ich? Nein. Die Absichten des Herrn sind rätselhaft, und er hat mich nicht in seine Motive eingeweiht. Ich bin nur ein Hirte.
Meine Aufgabe ist es, die Herde zusammenzuhalten und sie auf die richtigen Wege zu lenken.«
»Jemand ist allerdings vom richtigen Weg abgekommen.«
»Und Sie glauben, daß dieser Jemand von St. Elysius ist?«
»Nicht unbedingt. Ich rede mit allen, die regelmäßig Kontakt mit Josh hatten, suche nach irgendeinem Fetzen Information, der helfen könnte. Etwas, das Josh vielleicht gesagt hat, eine Veränderung seines Benehmens; von Hannah erfuhr ich, daß er gerade mit seiner Ausbildung zum Ministranten begonnen hatte.«
McCoys blaue Augen waren traurig und resigniert. »Der
Ministrant und der Priester. Geht es darum, Agent O’Malley?«
Er schüttelte langsam den Kopf. »Es erstaunt mich immer wieder, wenn ein Opfer von
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