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Sünden der Nacht

Sünden der Nacht

Titel: Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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Klischees den Spieß umdreht und jemand anderem dasselbe antut.«
    »Ich mache nur meine Arbeit, Pater«, entgegnete Megan ruhig.
    »Es steht mir nicht zu, Schlüsse zu ziehen – aber es steht mir zu, den Hinweisen, die ich habe, auf den Grund zu gehen. Tut mir leid, wenn Sie sich dadurch diskriminiert fühlen, aber so läuft das eben. Wenn Sie das tröstet: Ich werde auch mit Joshs Lehrern und Trainern und Pfadfinderführern reden. Sie sind kein Verdächtiger.«
    »Bin ich nicht? Ich wette, ich könnte eine Menge Leute in dieser Stadt finden, die bereits zu einem anderen Schluß gekommen sind.« Er erhob sich von seinem Stuhl und lief hinter seinem Schreibtisch auf und ab, die Hände in den Hosentaschen.
    »Ich kann’s Ihnen wohl nicht verdenken, schließlich sind die 261
    Zeitungen voll davon, nicht wahr? Dieser Priester, jener Priester, ein Kardinal. Eine Schande ist das. Und die Kirche deckt sie und tut so, als wäre nichts, führt die wunderbare Tradition von Heimlichtuerei seit der Zeit des Heiligen Petrus weiter.«
    »Dürfen Sie so etwas überhaupt sagen?« Megan staunte über soviel Offenheit.
    Er grinste spitzbübisch. »Ich bin eine Radikalo. Fragen Sie Albert Fletcher. Er hat schon mit dem Bischof über mich diskutiert.«
    Scheinbar machte es ihm diebische Freude, Gegenstand von Kontroversen zu sein. Megan verzog die Mundwinkel. Sie mochte Tom McCoy. Er war jung, voller Energie und hatte keine Angst zu sagen, was er dachte – das krasse Gegenteil von den Priestern, mit denen sie aufgewachsen war. Und sie erwischte sich bei der Überlegung, warum ausgerechnet ein Mann mit seinem Aussehen und Charme Priester geworden war.
    Mühelos las er ihre Gedanken. »Es ist eine Berufung«, sagte er mit sanfter Stimme und setzte sich wieder in seinen Stuhl,
    »keine Notlösung wie bei Männern, die sonst nichts anzufangen wissen.«
    »Aber manchmal werden die falschen Leute berufen«, warf Megan ein, um das Thema zu wechseln und von ihrer
    Beschämung abzulenken.
    Pater Tom schien vor ihren Augen zu altern. »Nein«, er schüttelte den Kopf, »diese Leute hören eine andere Stimme.«
    »Die Stimme des Bösen? Den Teufel?«
    »Ich glaube absolut daran. Sie doch auch, oder, Agent
    O’Malley?«
    Sie antwortete nicht sofort, blieb eine Minute still sitzen und dachte über ihre irisch-katholische Erziehung nach. Selbst wenn man das wegließ, würde sie dieselbe Antwort geben.
    Mittlerweile hatte sie auf den Straßen zuviel gesehen, um irgend 262
    etwas anderes zu verfechten.
    »Ja, das tu ich«, stimmte sie leise zu. »Und was mich angeht, sind Kinderschänder das Böseste überhaupt. Also fällt Ihnen etwas ein, was mir helfen wird, den Arsch dieses Dreckschweins an die Wand zu nageln?«
    Ihre vulgären Worte entlockten ihm nicht einmal ein
    Wimpernzucken. »Nein, ich wünschte, das täte es. Gestern abend hatten wir eine Gebetswache hier. Die meiste Zeit hab ich damit verbracht, mir die Leute genau anzusehen, in der Hoffnung, jemanden zu entdecken, der nicht reinpaßt – der vielleicht käme, um zu sehen, was er in dieser Gemeinde angerichtet hat. Ich dachte, ich erkenne ein Merkmal. Sie wissen schon – glühende Augen, E 605 auf seiner Stirn eingebrannt –, aber das kommt wohl doch nur im Kino vor.«
    »Und wie steht’s mit Josh selbst? Haben Sie irgendeine Veränderung in seinem Verhalten bemerkt?«
    »Ja, also …« Er nahm sich einen Moment Zeit und wählte seine Worte sorgfältig. »Stiller war er in letzter Zeit geworden.
    Ich glaube, Hannah und Paul haben Probleme. Es hat zwar keiner von ihnen etwas gesagt, ist nur so ein Gefühl von mir.
    Josh ist ein sensibler Junge, Kinder kriegen viel mehr mit, als Erwachsene annehmen. Aber mir ist nichts Offenkundiges aufgefallen. Er nimmt seine Pflichten als Ministrant sehr ernst.«
    »Sie bilden die Jungs selber aus?«
    »Wir haben jetzt auch Mädchen: der Beitrag der Kirche zum Zeitalter der Gleichberechtigung. Natürlich werden sie nie Frauen als Priester zulassen, aber …« Er verstummte, ehe er wieder zu radikale Ansichten äußern konnte und warf Megan einen schuldbewußten Blick zu, seine Brille war ihm auf die Nase gerutscht. »Also um Ihre Frage zu beantworten, Albert Flechter und ich, wir arbeiten beide mit den Kindern. Es läuft so als Guter-Cop-Böser-Cop-Spiel. Albert bläut ihnen die Regeln ein, dann zwinkere ich ihnen zu und lasse sie wissen, daß es in 263
    Ordnung ist, wenn sie ab und zu Mist bauen, solange sie nicht auf die Hostien niesen.«
    Megan

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