Sünden der Nacht
Mineralwasser ausgetrunken und die Dose in den Mülleimer geworfen hatte, »wenn Sie und Ihre Computer eine logische Erklärung für die ganze Scheiße, die auf dieser Welt passiert, finden, dann möchte ich es als erste erfahren.«
Kapitel 21
21 Uhr, -33 Grad; Windabkühlungsfaktor: – 52 Grad
Arlan und Ramona Neiderhausers Zuhause roch stark nach Mottenkugeln. Der Geruch schlich sich in Mitchs Nase und brannte bis in die Stirnhöhlen. Er saß in einem geraden Stuhl, den er sich aus dem Eßzimmer geholt hatte, und starrte mit dem Fernglas durch das Schlafzimmerfenster auf Olies dunkle Bleibe auf der anderen Straßenseite. Oscar Rudds Haus war hell erleuchtet, der Schein ergoß sich auf die schrottreifen Saabs, die in seinem Hof standen.
Megan stand neben dem Fenster, eine Schulter an die Wand gelehnt und spähte hinter dem Vorhang hervor. Sie trugen beide ihre Jacken – damit sie jederzeit hinauslaufen konnten, und zum Schutz gegen die abgestandene, kalte Luft des Hauses. Die Neiderhausers hatten ihren Thermostat nur so weit aufgedreht, daß die Rohre nicht einfroren. Draußen sank die Temperatur stetig und drohte den Rekordwert zu brechen, der seit dreißig Jahren bestand. Die Kälte war so extrem, daß sich in der Luft Eiskristalle bildeten und ein Phänomen namens Schneenebel erzeugten, ein seltsamer dünner Nebel, der über dem Boden schwebte wie ein Spezialeffekt aus einem Horrorfilm.
Steiger hatte sich trotz der Kälte bereit erklärt, in einem Zivilwagen auf der Straße zu bleiben. Die Leute vom BCA, vom Sheriffbüro und der Polizei waren an strategischen Punkten in der Stadt verteilt, damit Olie verfolgt werden konnte, egal wohin er ging. Das mobile Labor wartete am alten Feuerwehrhaus, bereit, sofort auszurollen, um die Durchsuchungsbefehle auszuführen. »Gott, wie ich dieses Wetter hasse«, sagte Megan in dem gedämpften Ton, den abgedunkelte Schlafzimmer scheinbar verlangten. »Weißt du, daß es heute abend am Nordpol wärmer sein wird als hier?«
»Willst du an den Nordpol ziehen?«
»Ich will auf die Cayman-Inseln ziehen.«
»Der Krawall der Steelbands würde dich innerhalb eines Monats in den Selbstmord treiben.«
»Wenigstens würde ich im Warmen sterben.«
Mitch wechselte das Fernglas in die andere Hand und steckte seine Rechte in die Jackentasche, um sie an einen chemischen Handwärmer zu legen. »Weißt du, daß Olie so ungefähr fünf Computer da drin hat?«
»Woher hat der denn das Geld dafür?«
»Er hat mir gesagt, das wären ausrangierte Geräte aus Geschäften, die ihre Systeme aufbessern. Der Gefängnisdirektor von Walla Walla hat mir erzählt, Olie hätte bei Intelligenztesten gut abgeschnitten. Er studiert immer irgend etwas.«
»Kleine Jungs, zum Beispiel.«
»Ja, aber Olies Bewährungshelfer schien überrascht, als ich ihm erzählte, was hier abläuft. Er glaubte, Olie könnte nicht gewalttätig werden.«
Megan ließ den Vorhang fallen und warf ihm einen prüfenden Blick zu. »Er war wegen erzwungenem Sex mit einem Kind hinter Gittern. Das ist nicht gewalttätig?«
»Es gibt verschiedene, auch nichtgesteuerte Ursachen.«
»Also, ich hab das Strafregister dieses Typen gelesen. Für mich waren das die klassischen Zeichen für Eskalation – durch fremde Fenster gucken, sich entblößen, dann fummeln, dann Vergewaltigung. Was haben denn die Jungs in Washington zu ihrer Arbeit nach Ablauf der Bewährung zu sagen?«
Mitch hob die Schultern. »Olie ist nicht der erste Verbrecher, der sich abgeseilt hat.«
Megan warf einen Blick auf die Uhr. Neun. Olie arbeitete eigentlich bis 11 Uhr, aber sie mußten in Stellung sein für alle Fälle. Ihr Blick schweifte durch das kleine, vollgestopfte Schlafzimmer und verharrte auf dem Bett mit der weißen Chenilledecke, auf das sie ihre beiden Walkie-Talkies geworfen hatten. Walkie-Talkies, Cops, die mit Pistolen im Schulterhalfter umherstreiften und Ferngläser, die auf das Haus auf der anderen Straßenseite gerichtet waren. Wahrscheinlich das Aufregendste, was dieses Schlafzimmer je erlebt hatte, außer Arlan und Ramona waren total ausgeflippt.
Mitchs Handy piepste. Er setzte das Fernglas ab und klappte das Telefon auf. »Chief Holt.«
»Daddy?«
Die zittrige kleine Stimme katapultierte Mitch von einer Spannung in die nächste. »Jessie? Schätzchen, warum bist du so spät noch auf?« Ein leises Schniefen. »K-kommst du und h-holst mich heute abend?« Mitch zerriß es das Herz. Seine Tochter hatte er vergessen. Da waren Anrufe
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