Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sünden der Nacht

Sünden der Nacht

Titel: Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Hoag
Vom Netzwerk:
einfach übergangen. Heißt das, daß du mich jetzt abschieben darfst?«
    Er lehnte sich an seinen Schreibtisch. »Ich darf doch gar nicht sauer sein, nachdem die Ahnung so tolle Ergebnisse gezeitigt hat«, sagte er. »Das heißt aber nicht, daß ich mich drüber freuen muß.«
    Sie stellte den Briefbeschwerer zurück, so daß Mickey auf dem Kopf stand und verzog den Mund. »Freuen gibt’s bei diesem Fall sowieso nicht, Chief.«
    Seit Sonntagabend hatten sie nicht mehr miteinander geredet, als sie ihm telefonisch mitteilte, daß das Labor noch zu keinen Schlüssen gelangt war. Niemand hatte ein Wort über Samstagabend verloren. Aber es stand in seinen Augen geschrieben, als er sie jetzt ansah – die Erinnerung an Begierde und heiße Gefühle. Es prickelte unter ihrer Haut. Eine unnötige Komplikation, aber jetzt gab es kein Zurück mehr, und sie stand zu ihrem Verhalten. Nicht besonders klug, aber so war das eben.

    »Wie ist es mit DePalma gelaufen?« fragte er.
    Megan breitete die Arme aus. »Noch bin ich im Besitz all meiner Gliedmaßen.«
    »Und dein Job?«
    Sie grinste reumütig. »Für den Augenblick bleibt alles wie gehabt. Drücken wir’s mal so aus: Wenn sich diese Überwachung auszahlt, wird dabei nicht nur Josh gerettet. Also mach ich mich wohl besser wieder an die Arbeit. Ich dachte mir, ich fahr kurz am Krankenhaus vorbei und rede mit der Empfangsdame, die die Eishalle an dem Abend von Joshs Verschwinden angerufen hat. Ich teste mal, ob sie die Stimme des Mannes identifizieren kann, mit dem sie gesprochen hat. Wenn sie Olies Stimme erkennt, dann wissen wir, daß er den Anruf entgegengenommen hat und damit über Hannahs Verhinderung Bescheid wußte. Das würde den Tatverdacht plausibler machen.« »Gut. Ich werde mich mit den Behörden in seinen alten Jagdgründen in Verbindung setzen und schauen, ob die was Brauchbares für uns haben. Und ich ruf den Bezirksstaatsanwalt an und informiere ihn über die Lage.«
    »In Ordnung.«
    »Megan.« Er sagte ihren Namen nur, um ihn auszusprechen, dann versetzte er sich innerlich einen Tritt, weil er so ein Weichling war. Job war Job, hatte er gesagt. Was sich zwischen ihnen sonst noch rührte, durfte dabei keine Rolle spielen – und seine Sehnsucht war auch falsch. »Ich bin froh, daß DePalma keinen Schaden angerichtet hat.« »Nur mein Stolz ist verletzt«, murmelte sie. »Ich zieh Leine, Chief. Wir sehn uns später.«

13 Uhr 07, – 30 Grad, Windabkühlungsfaktor: – 45 Grad
    »Tut mir leid. »Ich konnte nicht – h-ha-ah-hatschi!« Carol Hiatt begrub ihre Nase in einer Handvoll Papiertaschentücher und schloß für einen Moment die Augen, eine erschöpfte Kapitulation vor dem Virus, der das gesamte Krankenhauspersonal plagte.
    »Gesundheit«, sagte Megan.
    Die Empfangsdame putzte sich laut die Nase und warf die Papiertücher in einen überquellenden Papierkorb. »Dieser Virus ist der schlimmste«, vertraute ihr sie mit krächzender Stimme an. Das Fieber hatte ihr lockiges Haar zu einem schwarzgefärbten Staubwedel über
ihrem langen, ovalen Gesicht verklebt. Ihre geschwungene Nase war wund und rot. Sie schniefte und stöhnte. »Ich wäre selbst nicht hier, aber die anderen vom Personal sind noch kränker.«
    Megan nickte, versuchte Mitgefühl zu signalisieren. Hinter ihr, im Wartebereich heulten ein Baby und ein Kleinkind, ein ziemlich unmusikalisches Duett, und ein drittes Kind hämmerte etwas Atonales auf einem Fisher-Price-Xylophon. Im Fernsehen lief Geraldo – er interviewte erwachsene Kinder von Transvestitenpfarrern.
    »Tut mir leid«, sagte Carol noch mal. »Ich bin das alles mit dem anderen Beamten am Freitag durchgegangen. Erinnern kann ich mich an diesen Anruf nicht, aber an dem Abend war hier ein Irrenhaus. Wer das Telefon in der Eishalle beantwortet hat, ist mir unbekannt.«
    »Er hat seinen Namen nicht genannt?«
    »Ich kenne keinen Mann, der das am Telefon macht. Die fangen alle einfach zu reden an, als müßte man wissen, wer sie sind … als ob man bloß rumsitzen und drauf warten würde, daß sie den Hörer in die Hand nehmen«, sagte sie angewidert. Sie hielt ein frisches Taschentuch unter die Nase und quetschte es in die Form einer Nelke. Megan strich das Wort Empfangsdame in ihrem Notizbuch aus. »Sie meinen nicht, daß es Ihnen wieder einfällt, beim Klang seiner Stimme?«
    »Ich wünschte, ich könnte ja sagen.« Carol zog noch eine Handvoll Taschentücher aus der Box neben dem Telefon, als ihre Augen sich mit Tränen füllten. »Ich

Weitere Kostenlose Bücher