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Sündenfall: Roman (German Edition)

Sündenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sündenfall: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anya Lipska
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Verbrechen zur Rede zu stellen, würde er vielleicht einknicken und seine morgige Kandidatur freiwillig zurückziehen. Pater Pietruzki? Der war zwar ein allseits respektierter Mann, aber konnte Janusz sich auch darauf verlassen, dass er als treuer Anhänger der Partei das Richtige tun würde? Konstanty Nowak? Sein wohltätiges Engagement verlieh ihm den nötigen Einfluss, doch war er wirklich objektiv genug, um der Wahrheit über seinen Freund ins Auge zu sehen?
    Janusz fällte eine Entscheidung. Der Puls pochte in seiner Kehle, als er sich durch sein Adressbuch klickte und auf »Anrufen« drückte. Es läutete … einmal, dreimal, sechsmal … dann, endlich, Nowaks Stimme. Im nächsten Moment wurde ihm klar, dass es nur die Mailbox war. Noch ehe er ein zweites Mal wählen konnte, bemerkte er etwas, das ihm den Magen zusammenkrampfte: Zwei oder drei Meter vor ihm war auf der linken Seite eine verrostete blaue Metalltür in die Backsteinmauer eingelassen. Janusz beobachtete, wie sich nun der Türknauf öffnete und die Tür quietschend aufschwang. Sein letzter Gedanke war die Erkenntnis, dass er Bobek vielleicht nie mehr wiedersehen würde.
    Kershaw stellte fest, dass Kiszka es nun schon zum zweiten Mal tat, und zwar gleich nach dem Aussteigen aus dem Auto – er tastete seine Seite ab, als trüge er die Kronjuwelen mit sich herum. Als er im U-Bahnhof verschwunden war, saß sie noch eine gute Minute da. Sie hatte einen Ausspruch ihres Vaters im Ohr: Da ist etwas im Busch .
    Sie hätte das Auto einfach stehen lassen und ihn verfolgen sollen. Nun war es zu spät, denn er war, jetzt zur Hauptverkehrszeit, sicher schon im Menschengewühl untergetaucht. Sie kaute noch zornig an ihrem Daumennagel herum, als sie sah, dass er zurückkam und losrannte. Offenbar wollte er den Bus erwischen.
    Im nächsten Moment sprang ihr Funkgerät an, und eine Frauenstimme verkündete: »Charlie 1 an DC Kershaw. Eine Nachricht von DS Bacon: Bitte kommen Sie zu JD Sports im Leyton-Einkaufszentrum. Die Mitarbeiter halten dort eine weiße Frau fest. Verdacht auf Kreditkartenbetrug. Wann können Sie da sein?«
    Der Mann, der die Tür öffnete, hatte in etwa Größe und Umfang eines amerikanischen Kühlschranks und war ungefähr genauso gesprächig. Er winkte Janusz mit einer Kopfbewegung herein und verschloss die Tür hinter ihm. Das Kreischen des verzogenen Metalls und das Klappern der Kette am Vorhängeschloss zerrten an Janusz’ ohnehin schon angespannten Nerven.
    Der Mann ging voran durch das muffige Erdgeschoss, wo überall zerborstene Paletten und leere Kabelrollen herumlagen. Während Janusz auf den gewaltigen, in einen teuren Parka gehüllten Rücken starrte, hatte er plötzlich eine massige Gestalt im orangefarbenen Lichtkegel der Straßenlaternen an den Highbury Fields vor Augen. Das war der Kerl, der ihn an dem Abend seines Treffens mit Justyna beschattet hatte.
    An einem alten Lastenaufzug aus Stahl blieb er stehen. »Hier rein«, befahl der Mann auf Polnisch und bedeutete Janusz, zuerst einzusteigen. Ukrainer, dachte Janusz, als er den Akzent hörte. Der Mann zog das große Scherengitter so mühelos zu wie einen Netzvorhang. Dann fuhr der Aufzug, begleitet von Klappern und Quietschen, nach oben.
    Im dritten Stock schubste der Ukrainer Janusz hinaus und in einen Teil des Lagerhauses, der offenbar in den Sechzigern oder Siebzigern in kleinere Büroflächen aufgeteilt worden war. Dort betätigte er eine Gegensprechanlage mit Kamera neben einer Tür, die aussah wie erst vor kurzem eingebaut und aus massivem, etwa acht Millimeter dickem Stahl bestand. Als sie drinnen waren, legte er an der Seite und am oberen Rand des Türrahmens einige stabil wirkende Riegel vor.
    Er stupste Janusz in den Rücken und deutete mit dem Kinn über die Fertigungshalle auf die Seite des Lagerhauses, die auf den Leamouth hinausging. Reihen von mit Staub und Spinnweben verkrusteten Nähmaschinen aus den Sechzigerjahren verrieten, dass dieses Gebäude in einem früheren Leben eine Kleiderfabrik gewesen war. Janusz stellte fest, dass ein seltsamer Geruch in der Luft lag – scharf, aber nicht unangenehm.
    Neben dem Fenster stand eine Werkbank – vermutlich ein Tisch zum Zuschneiden von Stoffen. Die Tischplatte war zwar vor kurzem gereinigt worden, wies aber noch immer ein paar helle Staubspuren auf. In einer Ecke lag ein Hut aus einem schimmernden grauen Material und mit schmaler Krempe. Einer, den die kleine Detektivin als Pork Pie bezeichnet hatte. Einige Meter

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