Sündenfall: Roman (German Edition)
unter dem Schlag weg. Im nächsten Moment lag er bäuchlings auf dem Boden und betrachtete das schmutzig braune Linoleum – der Kerl hatte ihn vom Stuhl gestoßen. Nun fing er an, ihn mit heftigen Tritten zu bearbeiten wie damals in der Wohnung. Janusz tat, als rolle er sich schützend zusammen, und drückte dabei das Tastenfeld seines Telefons fest an seine Brust.
Bitte geh ran. Bitte geh ran . Kurz darauf nahm er trotz der dumpfen Tritte wahr, dass ganz in der Nähe ein Mobiltelefon läutete. Im ersten Moment hielt Janusz es für einen Zufall, bis er feststellte, dass sich eine Tür öffnete und das Läuten lauter wurde.
Er kam sich vor wie ein Idiot, was rasch vom lähmenden Gefühl völliger Hoffnungslosigkeit abgelöst wurde. Die Tritte hörten auf, und Schritte näherten sich. Janusz wollte die Augen nicht öffnen und sich dem Anblick nicht stellen, der ihn, wie er wusste, erwartete. Er spürte, wie er grob hochgezerrt und wieder auf den Stuhl verfrachtet wurde. Schließlich hob er langsam den Kopf und blickte in die klaren haselnussbraunen Augen von Konstanty Nowak.
»Sie haben angerufen?«, fragte Nowak und betrachtete grinsend sein Telefon. »Tut mir leid, ein schlechter Scherz.« Höflich streckte er die ausgebreitete Hand aus, worauf Janusz ihm sein Mobiltelefon übergab.
Inzwischen war der psychol einige Schritte zurückgewichen, stand hinter Nowak und war nun, da sich sein Boss im Raum befand, brav. Ein Hund, der seinen Platz in der Rangordnung kannte, dachte Janusz. Plötzlich wurde ihm klar, was das für ein Geruch war, den er an ihm und im ganzen Raum wahrgenommen hatte. Anis. Im nächsten Moment fiel ihm ein, dass Anethol – der Stoff, aus dem man PMA herstellte – genauso roch. In der Datenbank seiner Erinnerung wurde ein Bild aufgerufen: Er ging mit Pater Pietruzki durch die Botschaft, um sich mit Nowak zu treffen. Ein Mann verbeugte sich, eine Geste, die kurz sein Gesicht verbarg. Der psychol . Janusz wusste noch, dass er den leichten Fenchelduft für Rasierwasser gehalten hatte. Offenbar war das Lagerhaus seine Drogenfabrik. Und bei dem Staub auf dem Tisch handelte es sich um Reste des kreideartigen Pulvers, aus dem die Tabletten gepresst wurden. Gerätschaften und Ware befanden sich vermutlich transportfertig in den Alukoffern.
Inzwischen war Nowak ernst geworden. Geschickt drehte er die Windjacke in seiner Hand von außen nach innen, damit sie nicht staubig wurde, und legte sie ordentlich auf den Schneidetisch. »Vielleicht werden Sie mir nicht glauben, Janusz – ich darf Sie doch immer noch beim Vornamen nennen«, begann er, »doch es war nie meine Absicht, dass Ihnen etwas zustößt oder dass Sie so … tief in die Sache verwickelt werden.«
Er lehnte sich an die Tischkante.
»Ihre Aufgabe bestand einzig und allein darin herauszufinden, wo der Junge war, damit wir das Dokument zurückbekommen.« Er schüttelte den Kopf. »Es war Ihr Pech, dass er Sie zu Hause besucht und Ihnen die Unterlagen übergeben hat. Wie heißt es doch so schön? Ein Schierlingsbecher? « Als er vergnügt lächelte, spürte Janusz, wie sich seine letzte Hoffnung, doch noch lebend davonzukommen, in Luft auflöste. Nowak war eindeutig bis über beide Ohren in diese Machenschaften verwickelt, was hieß, dass es viel zu riskant für ihn sein würde, Janusz am Leben zu lassen.
»Ich wollte ihm gerade Handschellen anlegen«, meldete sich der psychol zu Wort, doch Nowak machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das wird nicht nötig sein.«
»Wo ist das Mädchen – und Pawel?«, fragte Janusz mit rauer Stimme.
»Dem Mädchen geht es gut, Pawel weniger«, entgegnete Nowak mit Bedauern in der Stimme. »Wenn Sie wirklich ehrlich mit sich sind, haben Sie doch nicht ernsthaft erwartet, dass er nach all dem Ärger, den er uns eingebrockt hat, als freier Mann hier rausspaziert.« Janusz starrte zu Boden.
»Aber passen Sie mal auf«, fuhr Nowak fort, als sei ihm gerade ein wundervoller Einfall gekommen.
»Ich bin bereit, meinen Teil der Abmachung einzuhalten und das Mädchen freizulassen. Sie hat keine Ahnung, wer ich bin, und Radomil ist, nachdem er sie befragt hat, sicher, dass sie nicht ahnt, was hier gespielt wird.« Der psychol grinste Janusz an und zog die Augenbrauen hoch, um ihm zu zeigen, wie sehr er es genossen hatte, Weronika zu verhören. »Sie kann wieder an ihren Arbeitsplatz als Kellnerin zurückkehren, in der festen Überzeugung, dass ihr Freund mit Drogendealern in Konflikt geraten ist und den
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