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Sündenfall: Roman (German Edition)

Sündenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sündenfall: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anya Lipska
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hatten.
    »Entschuldige, dass ich dich da reingezogen habe«, nuschelte er noch. Dann nahm ihm einer der Entführer, vermutlich der psychol mit Hut, das Telefon ab.
    »Ich erklär dir jetzt, wohin du die Unterlagen bringen sollst. In fünf Minuten fährst du los. Du sprichst mit niemandem und spielst auch nicht den Helden.« Die Stimme war flach und tonlos. »Wenn wir innerhalb der nächsten Stunde bekommen, was wir wollen, ist es vorbei, und alle können nach Hause gehen. Solltest du zu spät kommen, wird es Konsequenzen geben.« Darauf folgte eine Wegbeschreibung, die Janusz sich hastig auf einen Zettel notierte. Der Mann legte auf.
    Als Janusz sich der Tragweite der Situation bewusst wurde, lief ihm ein eiskalter Schauder über den Rücken. Wenn er der kleinen Detektivin alles erzählte, riskierte er, dass die Polizei das Versteck stürmte, was ganz sicher mit Pawels und Weronikas Tod enden würde. Betätigte er sich hingegen als Botenjunge für diese verbrecherische Mörderbande, bestand die Möglichkeit, dass sie alle drei trotzdem umgebracht wurden, sobald die Dreckskerle die Dokumente hatten. Ein flaues Gefühl in der Magengrube sagte ihm, dass es keine Hoffnung mehr gab, Zamorski zu enttarnen. Sosehr ihn die Vorstellung, dass dieser Mann morgen zum Präsidenten gewählt werden könnte, auch anwiderte, kam es schlicht und ergreifend nicht in Frage, sich mit der Akte nach Polen abzusetzen und Pawel und Weronika auf dem Altar einer guten Sache zu opfern.
    »Mr Kiszka!«
    Als Janusz die flachen Cockney-Vokale hörte, wirbelte er herum. Der Anblick der kleinen Detektivin, die schnurstracks auf ihn zusteuerte, war ihm etwa so willkommen wie ein russischer Schwiegersohn. Er blickte in beide Richtungen die Straße entlang und betete zu allen Heiligen, dass Zamorskis Killer seine Wohnung nicht mehr überwachten, nachdem sie sie gestern Nacht leer vorgefunden hatten. Anderenfalls hatte die Frau mit ihrem Erscheinen gerade Pawels und Weronikas Todesurteil unterschrieben.
    Als Kershaw näher kam, begannen ihre Antennen zu vibrieren. Kiszka sah aus – und roch –, als hätte er in seinen Kleidern geschlafen. Außerdem wirkte er nervös und fahrig. »Sie sind aber früh auf. Müssen Sie weg?«, fragte sie.
    »Ich habe einen Termin.«
    Sie musste für jeden seiner Schritte zwei machen, um mithalten zu können. »Sie haben es offenbar eilig«, stellte sie fest und setzte die Kapuze ihres schwarzen Regenmantels auf, als die ersten zögerlichen Tropfen fielen.
    Er kannte diesen Tonfall – es war der Hauch von Sarkasmus, der bei Polizisten mit dem Erwerb der Dienstmarke einherzugehen schien. »Tut mir leid, meine Liebe, aber ich muss meine U-Bahn erwischen, ich bin spät dran.«
    Kershaw beobachtete, wie seine riesigen Pranken unwillkürlich seine Seite betasteten – wie um sich zu vergewissern, ob er nichts vergessen hatte.
    »Kein Problem«, erwiderte sie. »Ich fahre Sie hin. Angel oder Highbury?« Als sie auf ihren Schlüsselanhänger drückte, piepste ihr in der Nähe geparktes Auto. Sie warf einen Blick auf den bleigrauen Himmel. »Gleich regnet es wie aus Kannen.«
    Janusz sah auf die Uhr – mit dem Auto würde er kostbare Minuten sparen. »Also gut, Angel.« Er hatte den Verdacht, dass es Weronika war, die die angedrohten »Konsequenzen« würde erdulden müssen, wenn er es nicht in einer Stunde schaffte.
    Als er auf dem Beifahrersitz Platz nahm, schob Kershaw wieder den Rückspiegel zurecht, um ihn im Auge behalten zu können.
    »Also hat Ela Wronska den geheimnisvollen ›Pawel‹ in einem Kinderheim in Gorodnik kennengelernt«, stellte sie in unverfänglichem Plauderton fest. Er zuckte nur die Achseln. Doch seine Augen huschten hin und her wie Kugeln in einem Flipperautomaten.
    Im ersten Moment glaubte sie, dass jemand ihr Auto mit Kies bewarf, bis ihr klar wurde, dass es Hagel war, der da gegen die Windschutzscheibe prasselte. »Ich weiß auch, dass Pawel in Gorodnik mit Ela gesprochen hat«, fügte sie hinzu und schaltete die Scheibenwischer ein. »Als das Orchester dort aufgetreten ist.«
    »Sie waren ja richtig fleißig«, erwiderte er nur.
    Verstohlen warf Janusz einen Blick auf die Uhr: Sie hatten die Upper Street inzwischen zur Hälfte hinter sich; nur noch eine Minute bis zum U-Bahnhof Angel.
    »Ich glaube, Pawel ist nach London gekommen, um Ela zu überreden, wieder etwas mit ihm anzufangen«, stellte Kershaw fest.
    Die kleine Detektivin und er waren zu genau demselben Schluss gelangt – und hatten

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