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Sündenfall: Roman (German Edition)

Sündenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sündenfall: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anya Lipska
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höchstmöglichen Preis dafür bezahlt hat.« Er lachte in sich hinein. »Sie ist neunzehn – in sechs Monaten wird sie einen neuen Freund haben.«
    Janusz wurde von rasendem Hass ergriffen. Allerdings hatte er keinen Grund, an Nowaks Worten zu zweifeln. Welchen Grund hatte er zu lügen, wenn er alle Trümpfe in der Hand hielt?
    »Dürfte ich jetzt bitte das Dokument haben?«
    Janusz öffnete die obersten Knöpfe seines Hemdes, nahm die Akte heraus und drückte sie Nowak in die Hand.
    »Verraten Sie mir nur eines«, sagte er, während Nowak hastig den Inhalt überflog. »Warum, bei allen Heiligen, wollen Sie, dass ein Schwein wie Zamorski unser Land regiert? Dafür haben Sie wohl einen ordentlichen Batzen Kohle kassiert, was?«
    Radomil trat vor, um zuzuschnappen, sobald sein Herrchen es ihm befahl. Doch Nowak lächelte nur nachsichtig. »Ihr jungen Leute glaubt, es ginge immer nur ums Geld«, erwiderte er leutselig. »Nein, ich unterstütze Edward, weil ich denke, dass das Land einen Mann wie ihn braucht.«
    »Einen gottverdammten Kinderschänder, der uns an die Kommunisten verkauft hat?«, stieß Janusz hervor. »Mir war nicht klar, dass das die Voraussetzungen sind, wenn man Präsident werden will.«
    »Das ist doch alles Schnee von gestern«, entgegnete Nowak. »Sie sind ein kluger Mann und verstehen sicher, was dieses Land wirklich nötig hat – Stabilität. Einen Regierungschef, der es schafft, die zerstrittenen Gruppen zu vereinen – Kirche, Gewerkschaften … Intellektuelle.« Beim letzten Wort sah er Janusz mit einem verschwörerischen Augenrollen an.
    »In unserem zersplitterten Land ist ein Präsident, der von einer soliden Allianz gestützt wird, der einzige Ausweg. Edward ist zwar kein Genie, aber er hat ein offenes Ohr.«
    »Für Sie?«
    Nowak neigte zustimmend den Kopf. »Ja, für mich und einige andere Leute, die wissen, was für unser Land wichtig ist.«
    »Wirklich? Und das wäre?« Janusz beschloss, das Spiel mitzumachen. Offenbar hörte dieser Mensch sich gerne reden, und je länger er Gelegenheit dazu bekam, desto mehr Zeit hatte Janusz, sich einen Fluchtplan zu überlegen.
    Nowak schaute auf die Uhr. »In einer halben Stunde muss ich zum Flughafen. Warum also nicht? Lassen Sie uns eine gute alte debata führen, von Polak zu Polak .«
    Er rückte sich einen Bürostuhl neben den von Janusz und rief, über die Schulter gewandt: »Radomil, bring uns Wodka.« Er drehte seinen Stuhl zum Fenster und bedeutete Janusz, dasselbe zu tun. Dann wies er hinaus auf die Kräne und Hochhäuser, die am Horizont auf dem Olympiagelände emporragten.
    »Sehen Sie sich das an«, meinte er bewundernd. »Früher war das East End ein Scheißloch, verzeihen Sie mir die Ausdrucksweise. Doch nun ändert sich alles, und zwar durch schiere Willenskraft.« Er versetzte Janusz einen Rippenstoß. »Das ganze Theater um den Sport? Das ist doch nur eine Nebenhandlung. Es geht um die Straßen, die Eisenbahn, Wohnungen, Läden – das bringt den Wandel.«
    Nowak nahm die Gläser von Radomil entgegen. Dieser schenkte beide voll und warf Janusz dabei einen hasserfüllten Blick zu. Janusz rührte sein Glas nicht an, doch Nowak fiel das gar nicht auf. Er hatte sich in Rage geredet und deutete mit dem Finger auf die Skyline. »So etwas braucht Polen. Eine völlig neue Infrastruktur, und zwar überall im Land. Arbeitsplätze für unsere bedauernswerten Exilanten, die im Ausland festsitzen und für die Engländer Toiletten schrubben.« Er verzog angewidert den Mund und zeigte auf Janusz. »Ein Mann wie Sie sollte zu Hause einer anständigen Arbeit nachgehen, anstatt in London den Glücksritter zu spielen.«
    Janusz zog eine Augenbraue hoch. »Vielleicht betrachten viele der Menschen, die Sie Exilanten nennen, London inzwischen als ihr Zuhause.« Mit einem Anflug von Überraschung erkannte er, dass es sich bei ihm so verhielt. »Außerdem – wie wollen Sie eine Million Jobs aus dem Ärmel schütteln?«
    Nowak lächelte. »Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht«, erwiderte er und begann, an den Fingern abzuzählen. »In fünf Jahren werden wir ein durchgängiges Autobahnnetz und zwei neue Luftverkehrsknotenpunkte fertig gestellt haben. In zehn Jahren wird es uns gelungen sein, den drei Zonen, in denen Arbeitsplatzknappheit herrscht, zu neuem Aufschwung zu verhelfen: die kaschubische Seenlandschaft, der Landkreis Bia ł ystok mit seinen Wäldern und die Ausläufer der Tatra. Dort sollen drei neue Städte für Freizeitgestaltung und

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