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Sündenfall: Roman (German Edition)

Sündenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sündenfall: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anya Lipska
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Tourismus entstehen.«
    Janusz dachte an die urwüchsige Schönheit der von Nowak aufgeführten Nationalparks. Wenn Nowak dort »Aufschwung« und im nennenswerten Umfang Arbeitsplätze schaffen wollte, schwebte ihm ganz sicher kein Ökotourismus vor – eher eine Art Dubai mitten in Europa.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass die EU da etwas springen lassen wird«, wandte er deshalb skeptisch ein.
    »Nur unter uns gesprochen, sind wir nicht unbedingt Anhänger dieses neuen Europawahns«, entgegnete Nowak. »›Menschenrechte für Vergewaltiger‹, ›Gesundheits- und Sicherheitsbestimmungen‹, ›Arbeitszeitregulierung‹ …« Mit fröhlich funkelnden Augen hielt er inne. »Die Bürokraten haben die Anstalt übernommen, richtig?« Er schenkte sich noch einen Schluck ein – Janusz lehnte ab –, beugte sich vor und tätschelte ihm das Knie.
    »Die Bürohengste der EU werden es erst erfahren, wenn es viel zu spät ist, um Einwände zu erheben. Allerdings wird ein Großteil der Investitionen ohnehin von einflussreichen Freunden ein gutes Stück östlich von Brüssel kommen.«
    Fassungslos starrte Janusz ihn an.
    »Den Russen?«
    Nowak nickte.
    »Sie wollen, dass Polen sich an die Schweinekerle ranwanzt, die bei uns einmarschiert sind und uns vierzig Jahre lang das Leben zur Hölle gemacht haben?«, empörte sich Janusz.
    Nowak setzte ein nachsichtiges Lächeln auf. »Wissen Sie, für einen verhältnismäßig jungen Mann sind Sie erstaunlich konservativ. Doch die jüngere Generation schleppt diesen Ballast nicht mehr mit sich herum. Sie hatte keine Probleme mit Russland.« Er schwenkte den Zeigefinger vor Janusz’ Gesicht. »In Russland wissen sie nicht, wohin mit den Gewinnen aus den Verkäufen von Öl und Gas – und dieses viele Geld braucht ein Zuhause. Polen liegt vor der Haustür und ist ein sehr attraktiver Standort, wenn wir die jungen Menschen zurückholen können.«
    Mit Grauen dachte Janusz an die Leute, die im heutigen Russland das Sagen hatten – ehemalige KGB -Schergen und die mafiösen Oligarchen, die sich, an den Gesetzen vorbei, die Taschen vollgestopft hatten. Außerdem hatten Journalisten und Kritiker der Regierung auch noch zwei Jahrzehnte nach dem Fall des Kommunismus eine unerklärlich geringe Lebenserwartung. Ihm fiel etwas ein. »Aber Ihr Vater ist doch nach dem Krieg in einem russischen Gefangenenlager gestorben!«
    Nowak trank einen Schluck Wodka. »Stalin hat Europa gerettet«, stellte er sachlich fest. »Nach dem Krieg hatte er keine andere Wahl, als hart durchzugreifen, insbesondere gegen die Polen. Sie müssen zugeben, dass Disziplin noch nie unsere Stärke war.« Er blickte Janusz aus klaren Augen an. »Ich fürchte, als ich erwachsen wurde, habe ich verstanden, dass der Nationalismus meines Vaters nichts als kindische Eitelkeit war.«
    »Aber Sie waren in Huta Solidarność -Funktionär!«, protestierte Janusz. »Sie und Zamorski haben die Streiks gegen die Kommunisten angeführt!« Er versuchte, sich an das zu erinnern, was Nowak ihm erzählt hatte. Seine und Zamorskis erste Begegnung im Zug, als sie in den Siebzigern unterwegs zu ihrem Arbeitsplatz im Stahlwerk gewesen waren. Ihre Entwicklung zu Aktivisten, ihre enge Freundschaft …
    Nowak hatte den Kopf zur Seite geneigt, als warte er darauf, dass endlich der Groschen fiel.
    »Sie haben Zamorski für die SB angeworben, richtig?«, stellte Janusz schließlich fest. »Wahrscheinlich haben Sie schon für die SB gearbeitet, als Sie in den Zug nach Huta gestiegen sind.«
    Nowak hob sein Glas, um Janusz zu seinem Scharfsinn zu gratulieren.
    »Sie waren Agent Byk. Ein Kommunist.«
    »Was den letzten Anklagepunkt betrifft, bin ich unschuldig«, entgegnete Nowak lachend. »Ideologie hat mich noch nie interessiert. Ich bin ein gnadenloser Pragmatiker.«
    »Haben Sie also aus Pragmatismus diesem dreckigen chuj unschuldige Kinder zugeführt, damit er sie missbrauchen konnte?«
    Nowak schürzte die Lippen. »Damals durfte man manchmal nicht zimperlich sein, wenn man verhindern wollte, dass das Land sich selbst zerstörte. Niemand wollte einen Einmarsch der Russen, am allerwenigsten der Genosse Breschnjew. Überlegen Sie nur, um wie viele Unschuldige mehr hätten leiden und sterben müssen, wenn wir den Aufrührern gestattet hätten, die Sowjets noch stärker zu provozieren.«
    »Vermutlich geben Sie sich deshalb auch mit diesem Stück Dreck ab, das seinen Spaß daran hat, Frauen wehzutun«, zischte Janusz mit einer zornigen Handbewegung in

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