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Sündenfall: Roman (German Edition)

Sündenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sündenfall: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anya Lipska
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schrecklichen Moment lang glaubte er schon, dass er immer tiefer und tiefer versinken würde, doch plötzlich schoss er wieder nach oben, getragen von den drei oder vier Litern Luft in seiner Lunge. Sobald er an der Oberfläche war, drehte er sich in Richtung Themse und hielt Ausschau nach Weronika. Doch im aufgewühlten Wasser konnte er nichts erkennen. Als er sich die Schuhe von den Füßen streifte, stellte er fest, dass er sich beim Aufprall aufs Wasser die Knöchel verletzt hatte. Er kraulte in kräftigen Zügen los. 60 Sekunden .
    Auf halbem Wege zu der Stelle, wo er sie zuletzt gesehen zu haben glaubte, warf er einen raschen Blick zurück zur Galerie. Das Bild, das sich ihm bot, sorgte dafür, dass er wertvollen Sauerstoff mit einer Schimpftirade vergeudete – Radomil rappelte sich vom Boden auf. Er war zwar noch verlangsamt und benommen, aber wie lange würde das anhalten? Janusz verdoppelte sein Tempo, bis seine Brust gegen die Anstrengung zu protestieren begann. Dann, als sich gerade eine khakifarbene kleine Welle vor ihm brach, bemerkte er einen vom Wasser dunkel verfärbten blonden Hinterkopf, der träge im Wasser trieb. Weronika bewegte sich nicht. Vielleicht hatte sie ja nicht genug Luft in der Lunge gehabt oder beim Aufprall das Bewusstsein verloren. Bitte, lass sie am Leben sein .
    Wieder schaute er zurück zum Balkon. Radomil stand inzwischen aufrecht am Geländer. Er schwankte zwar ein wenig, hatte aber die Pistole in der Hand. Janusz fühlte sich an eine Spinne in ihrem Netz erinnert. Warum, in Gottes Namen, hatte er den Dreckskerl nicht erledigt, als er Gelegenheit dazu gehabt hatte? Er hatte die genaue Reichweite einer CZ 75 zwar nicht mehr im Kopf, war aber ziemlich sicher, dass es ein Kinderspiel war, ein Ziel von der Größe eines Menschen aus fünfzig Metern Entfernung zu treffen.
    Als er sich Weronika näherte, wurde sie von einem Strudel in seine Richtung gedreht. Ihr Gesicht war so weiß wie Magermilch, doch sie hatte die Augen halb geöffnet, und ihre Lippen bewegten sich. Dann jedoch sackte ihr Kopf nach vorne. Die Augen fielen ihr zu. Plötzlich hatte Janusz ein deutliches Bild vor sich: Iza auf der Demo, ihr blasses Gesicht und wie sie aufgegeben und ihn verlassen hatte . Als eine Welle Weronika ergriff, versank sie mit grausiger Endgültigkeit. Heilige Muttergottes, nein! Den Blick fest auf die Stelle gerichtet, stieß Janusz sich kräftig mit den Beinen ab, ohne auf den stechenden Schmerz in seinen Knöcheln zu achten. Als er keine Spur von ihr entdeckte, holte er tief Luft und tauchte. Mit dem rechten Arm drückte er sich unter Wasser, während er mit dem linken Halbkreise beschrieb, in der Hoffnung, sie zu berühren. Als er probeweise ein Auge öffnete, betrug die Sichtweite null.
    Er tauchte wieder auf, trat Wasser und betete, dass sie auch an die Oberfläche kommen möge. Null Sekunden . Also wieder nach unten. Er tastete kreisförmig und ließ sich von der Strömung treiben, bis seine Hand Algen berührte. Offenbar war es hier seichter, als er gedacht hatte. Keine Algen, idiota – Haare! Er griff wieder zu, packte eine Handvoll und ruderte mit der rechten Hand zur Oberfläche. Seine Last ließ sich überraschend leicht bewegen.
    Janusz holte tief Luft und drehte das Mädchen zu sich herum. Sie hatte die Augen geschlossen, ihr Gesichtsausdruck war friedlich und ihr Mund rund und kindlich – wie Izas .
    Er schlug sie leicht ins Gesicht – ein wenig Wasser rann aus ihrem Mund, doch sonst war es, als ohrfeigte man eine Wachsfigur. Nein, nicht schon wieder, bitte, lieber Gott . Im nächsten Moment warf jemand etwa zwei Meter enfernt einen Kieselstein ins Wasser. Das hohe Surren ließ ihn herumwirbeln. Er blickte zurück zum Lagerhaus – wo Radomil, beide Ellbogen wegen der besseren Treffsicherheit aufs Geländer gestützt, die Pistole auf sie beide gerichtet hatte. Trotz seiner Gehirnerschütterung würde er früher oder später Erfolg haben. Als Janusz sich verzweifelt umsah, entdeckte er eine Nische in der Backsteinmauer, feucht, schwarz und etwa so groß wie ein Doppeldeckerbus – eine Sackgasse. Zwanzig Meter voraus, kurz bevor der Leamouth in die Themse überging, bemerkte er eine alte Eisenboje. Mit einer Hand ruderte er darauf zu.
    »Halt durch, Nika, halt durch, Nika«, keuchte er, während sie sich langsam der Boje näherten. Als Janusz sie erreicht hatte, wurde er von einem lauten Scheppern begrüßt. Der psychol erholte sich offenbar rasch. Janusz zog Nikas schlaffen

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