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Sündenfall: Roman (German Edition)

Sündenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sündenfall: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anya Lipska
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gewartet hatte, teilte ihm ein anderer Arzt mit, er habe sich beim Aufkommen auf dem Wasser den rechten Knöchel gebrochen und den linken verstaucht. Ein Bein verbunden, das andere bis zum Knie eingegipst, fuhr er mit dem Aufzug hinauf in die Intensivstation, um nach Weronika zu sehen. Die Schwester an der Tür musterte ihn von Kopf bis Fuß. Offenbar hatte sie Mitleid mit dem großen, besorgt dreinblickenden Mann, denn sie erlaubte ihm, eine Weile an ihrem Bett zu sitzen.
    Weronika war bewusstlos. Doch Janusz war sicher, einen Hauch von Farbe auf den markant geschwungenen Wangen zu entdecken. Außerdem schienen ihre Fingernägel nicht mehr so bläulich angelaufen zu sein wie noch vor wenigen Stunden, als die Polizei sie aus seinen Armen ins Boot gezogen hatte. Nun, da er zum ersten Mal Gelegenheit hatte, Weronika in Ruhe zu betrachten, fragte er sich, warum um alles in der Welt sie ihn an Iza erinnert hatte. Weronika besaß die scharf konturierte, nicht alltägliche Schönheit eines Models und hatte, im Gegensatz zu Iza, nichts Rundes und Weiches an sich.
    Als Janusz aus der Intensivstation kam, schaltete er sein Telefon wieder ein und stellte fest, dass er eine SMS von DC Natalie Kershaw erhalten hatte. Sie war im Krankenhaus und wollte ihn sehen. Also trafen sie sich in der Personalkantine im elften Stock. Als er, immer noch mit den Krücken kämpfend, auf sie zuhinkte, blickte sie auf, und sie lächelten einander spöttisch an.
    Janusz ließ sich auf den Stuhl sinken, den sie für ihn zurechtrückte. »Wir beide sind schon ein Paar«, sagte er und wies auf den hautfarbenen Verband, der ihr vom Handgelenk bis zum Ellbogen reichte. »Hat der Dreckskerl Ihnen was getan?« Er erinnerte sich, dass sie Radomil einen Gegenstand über den Kopf gezogen hatte, der, wie ihm inzwischen klar war, einer der Alukoffer gewesen sein musste.
    »Nein, nein, der ist erst wieder zu sich gekommen, als die Verstärkung da war«, antwortete sie und stellte mit der linken Hand die Kaffeetasse unbeholfen zurück auf die Untertasse. »Ich habe mir beim Hochklettern am Gerüst eine Sehne gerissen.«
    Er dachte an die hohen Mauern des Lagerhauses und das Gewirr aus rutschigen Eisenstangen. Das Mädchen war wirklich psychol .
    Als Kershaw Janusz’ Kleidung betrachtete – ein abscheulich gemusterter Pullover und eine Cordhose, vermutlich aus dem Notfallfundus des Krankenhauses –, kam sie zu dem Schluss, dass der Mann, den sie einmal so bedrohlich gefunden hatte, nun etwa so gefährlich wirkte wie ein Lieblingsonkel.
    Sie schob eine Tasse Kaffee – schwarz und schrecklich stark, wie er ihn am liebsten trank – zu ihm hinüber und sah ihn an. »So«, begann sie. »Besteht vielleicht die Möglichkeit, dass Sie mir erzählen, was zum Teufel da passiert ist, bevor wir Sie offiziell vernehmen?«
    Draußen vor dem Fenster war die Sonne aufgegangen und verwandelte den Fluss unter ihnen in ein jadegrünes Band. Janusz trank einen Schluck Kaffee. Doch es gelang ihm nicht, den metallischen Geschmack des Flusswassers wegzuspülen. »Die Ergebnisse der forensischen Untersuchung genügen, um zu beweisen, dass dieser … Radomil Justyna umgebracht hat, richtig?«, fragte er und streckte die Finger, bis die Gelenke knackten.
    »Ja«, räumte sie ein. »Allerdings habe ich keine Ahnung, warum er es getan hat.« Da er einen Pass bei sich gehabt hatte, hatte sie die polnische Polizei bitten können, ihr sein umfangreiches Vorstrafenregister zu faxen. Radomil Janowiak war Berufsverbrecher, handelte mit synthetischen Drogen und war im vergangenen Jahr in Warschau nur knapp einer Verurteilung wegen Vergewaltigung eines fünfzehnjährigen Mädchens entgangen, nachdem das Opfer aus unerklärlichen Gründen die Aussage zurückgezogen hatte.
    Janusz klopfte mit dem Löffel an die Untertasse. »Wie ich vermute, haben Sie im Lagerhaus ein anderes seiner Opfer gefunden.«
    »Pawel Adamski? Ja, was von ihm noch übrig war.« Sie blinzelte, um das Bild loszuwerden. »Auf dem Boden in der Herrentoilette.« Adamskis Pass hatte in einer halb getrockneten Blutlache unter einem Urinal gelegen.
    »Er wird mit Radomils DNA übersät sein«, stellte Janusz fest. Dieser Mann gehörte nicht zu den Leuten, die das Prügeln anderen überließen. Dazu hatte er viel zu großen Spaß daran.
    Er verstummte. Pawels Tod würde ein schwerer Schlag für Weronika sein, falls sie überlebte. Er erinnerte sich an das Märchen, das Pawel ihm erzählt hatte – das von den Kindern, die den

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