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Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition)

Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition)

Titel: Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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hinterhältigen Schatten meine erhabensten Freuden verdüstern …
    Jane kniete vor dem Grab nieder. Und wenn sie zum Frühstück oder zur Schule zu spät kam, auch egal. Das hier war wichtig. Das war der Mensch, dem sie Rede und Antwort stehen musste, falls das Dorf sein uraltes Herzstück verlor.
    «Lucy», flüsterte sie, «die Bastarde wollen sie rausreißen, sie auf einen Tieflader hieven und wegschaffen.»
    Manchmal, wenn sie frühmorgens oder im abendlichen Zwielicht allein hierherkam, ruhig und konzentriert war, konnte sie Lucy Devenish beinahe sehen, wie sie mit ihrem Adlergesicht und in ihren Poncho gehüllt von der Grenze eines folkloristischen Jenseits zu ihr herüberschaute.
    «Also … könnten Sie vielleicht irgendwas machen?»
    Sie kam nun schon seit Wochen jeden Tag hierher, viel länger, als sie zum Fluss ging. Sprach zu Lucy, hielt sie auf dem Laufenden. Es war wichtig.
    Als Jane aufblickte, sah sie jedoch nur den Kirchturm, den Nebel und den Morgenstern und spürte, wie die Feuchtigkeit durch ihre Jeans drang. Sie stand auf.
    Als sie den alten Beerdigungsweg entlangging, auf dem früher die Toten von Ledwardine zum Friedhof getragen worden waren, hörte sie links von sich ein leises Geräusch, als wäre ein Zweig gebrochen. Als ginge jemand neben ihr. Nur ein kleines Tier, aber sie musste trotzdem lächeln, während sie auf dem uralten Pfad weiterging, der sich hinter den Gattern von Coleman’s Meadow in einer perfekten Linie bis zu der eisenzeitlichen Siedlung auf dem Cole Hill fortsetzen würde.
    Als ginge man auf der Grenze zwischen zwei Welten. Als wanderte man mit den Geistern. Vielleicht war es ja jetzt an Bill Blore, das Sakrileg zu verhindern, damit Lucy in Frieden über die alten Pfade ziehen konnte.
    Da drang eine Stimme durch die feuchte Luft.
    «Wer ist Lucy?»

    Lol lag im Bett und lauschte auf den heftigen Wind, der durch die Church Street fegte. Inzwischen fürchtete er sich. Für ein paar Tage war er nach seiner London-Fahrt einfach nur verblüfft und dankbar gewesen, dass er die Sache so gut durchgestanden hatte. Aber an diesem Morgen, als er im Dunkeln und bei pfeifendem Wind aufwachte, hatte ihn wieder die Beklemmung gepackt.
    London, das war inzwischen fünf Tage her und wirkte fast wie ein Traum. Er sah zu dem Eichenbalken über seinem Bett auf, dachte über die Dauerhaftigkeit des Balkens nach, darüber, wie er mit zunehmendem Alter immer stärker geworden war. Darüber, dass man bei dem Versuch, einen Nagel hineinzuschlagen, den Nagel verbiegen würde.
    Der Balken erinnerte ihn an die Frau, die früher hier gewohnt hatte.
    Und daran, wie wenig er mit dieser Frau oder diesem Balken gemeinsam hatte.
    Er erinnerte sich, wie ihn die übliche Feigheit befallen hatte, als er sich mit seiner Gitarre in dem großen BBC -Studio auf den Hocker setzte, um «Baker’s Lament» zu spielen, während überall
richtige
Musiker herumsaßen und zuhörten. Abergläubisch betete er sich immer wieder vor, dass er versagen würde, weil er auf der Takamine spielte und nicht auf der unglückseligen Boswell.
    Du musst mir alles ganz genau erzählen
, hatte Jane verlangt, als er endlich wieder nach Hause kam.
Über alles und jeden.
    Lol hatte gesagt, sie würden sich vermutlich die Aufzeichnung seines Auftritts ansehen und ihn dann aus der endgültigen Version rausschneiden. Jane hatte finster vor sich hin gestarrt. «Aber nur wenn Holland und sein Produzent für den Rest ihres Lebens von einer psychotischen Pfarrerstochter mit einer Machete verfolgt werden wollen.»
    Er hatte gelächelt und ihr alles erzählt. Alles, an das er sich von seinem großen Tag in der großen Stadt erinnern konnte, an dem er für die wichtigste Musiksendung auf BBC 2 «The Baker’s Lament» aufgenommen hatte.
Later With Jools Holland
. Für die Sylvestersendung. Er hatte sich bis zu seiner Ankunft im Studio nicht klargemacht, dass es die Sendung war, in der alle so tun mussten, als wären sie total aufgeregt, wenn sich die Zeiger der großen Uhr auf Mitternacht zubewegten und die Dudelsackspieler reinmarschierten. Ein Produzent hatte gesagt, dass sie es das nächste Mal live machen müssten, weil sich die BBC seit neuestem Wahrheit und Ehrlichkeit auf die Fahnen geschrieben hatte.
    Lol hatte natürlich nur einen Gastauftritt gehabt, er war der Typ mit nur einem Song – die Stars sangen drei –, war aber unerwarteterweise vorher von Jools interviewt worden. Der große Mann ging dezent über Lols schwierige Lebensphase

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