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Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition)

Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition)

Titel: Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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bestimmt nichts von dem, was er vor Jahren mit Hazey Jane gemacht hatte.
    Ein gleichgültiges Publikum. Er hatte im vergangenen Jahr zweimal vor einem gleichgültigen Publikum gespielt. Er hatte in Bars gespielt, in denen weitergetrunken und weitergeplaudert worden war. Er hatte in einem Pub gespielt, in dem ein Dutzend Leute mit ihren Drinks rausgegangen waren, damit sie sich in Ruhe unterhalten und so laut lachen konnten, wie sie wollten. Das alles hatte ihm nicht viel ausgemacht; er würde dort einfach nicht mehr hingehen.
    Aber hier … hier wohnte er. In Lucys altem Cottage, an dem eine Gedenktafel für sie hängen sollte. Hier schrieb er die Songs, die so sehr ein Teil von ihm selbst waren. Die auf gewisse Art
alles
waren, was er selbst war. Wenn er bei Barry ablehnte, war er feige. Dann hätte Ledwardine guten Grund, ihn zu verachten.
    Aber wenn er zusagte und Ledwardine ihn verachtete …
    Lol sah, dass Merrily genau zu seinem Fenster herüberschaute, zog sich zurück und klammerte sich dann mit beiden Händen ans Fensterbrett, während der Westwind die Scheiben vibrieren ließ, als wollte er ihm Vernunft beibringen.
    Das Heulen des Windes hörte sich an wie ein Echo auf Lyndon Pierce.
    Wachsen oder sterben.

9 Wo die Toten wandeln
    Zwei Frauen vor Anbruch der Morgendämmerung auf einem Friedhof … da konnte man nicht einfach weggehen. Jane hatte das Gefühl eines Déjà-vu, und das verunsicherte sie, trotzdem ging sie weiter, an der Kirche entlang, die Frau und der Wind hielten mit ihr Schritt.
    «War seit mindestens einer
Woche
jeden Morgen draußen», sagte die Frau, «und es hat die ganze Zeit
überhaupt kein
ordentliches Licht gegeben. Ich dachte, heute müsste es mal so weit sein. Aber keine Chance.»
    Der Strahl von Janes Taschenlampe war auf einen teuren, großen Fotoapparat mit Riesenobjektiv gefallen, die Art Kamera, die Eirions edle Spiegelreflex aussehen ließ wie ein Sonderangebot vom Grabbeltisch.
    «Tja.» Sie sah auf. Der Himmel war heller, aber nicht von den pastellfarbenen Streifen durchzogen, die dem Sonnenaufgang unmittelbar vorausgingen. «Die Nacht war klar, und dann hat sich alles wieder zugezogen.»
    Es war ein bisschen unhöflich, die Frau so anzuleuchten, aber Jane hatte rotgoldenes Haar gesehen und die hochgestochene Aussprache der dunklen Stimme klang ziemlich jung – vielleicht Anfang dreißig?
    Das Déjà-vu hatte sich inzwischen erklärt. Jane war nämlich wieder eingefallen, dass sie im Sommer mit einer Fotografin vom
Guardian
an Lucys Grab gewesen war. Es war, als wäre Lucy eine Art Katalysator, ihr Grab ein
lebendiger
Ort. Die Vorstellung heiterte Jane auf. Sie fragte die Frau, woher sie käme.
    «Oh, von dahinten», sagte die Frau mit einer Armbewegung Richtung Obstgarten.
    «Nein, ich meine, von welcher Zeitung?»
    «Oh, verstehe. Ich bin Freiberuflerin. Arbeite für den
Observer, Independent on Sunday
… Zeitschriften. Manchmal schreibe ich auch die Texte.»
    Jane nickte. Solche Schreiber und Knipser waren nicht gerade selten in Ledwardine, jedenfalls nicht mehr seit das Dorf als Zentrum der …
würg
… New Cotswolds angesehen wurde.
    «Lensi.»
    «Wie bitte?»
    «Die Leute nennen mich Lensi. Eigentlich Lenni, aber inzwischen ist Lensi daraus geworden – LENSI . Kann man sich ja leicht erklären.»
    «Ach so», sagte Jane. «Cool.»
    «Und Sie sind?»
    «Jane.»
    Sie waren durch das kleine Friedhofstor gegangen und auf dem immer noch menschenleeren Marktplatz angekommen. Im Licht der Pseudogaslampen sah Jane, dass die Frau ziemlich groß war, eine nagelneue türkisblaue Goretex-Jacke trug und ein breites Gesicht, einen breiten Mund und sehr weiße Zähne hatte. Außerdem Saphir-Ohrringe und Ugg-Stiefel.
    «Na dann», sagte Jane, «ich muss los …»
    «Aber wer ist Lucy? Ich meine, Sie hatten doch keinen Hund dabei, oder?»
    Gott.
    «Sie war eine Freundin von mir.»
    «Was?»
    «Na ja – Friedhof? Steine mit Namen drauf und so?»
    Jane blieb neben dem unbeleuchteten Christbaum stehen, der doppelt so groß war wie sie und im Wind schwankte. Sie sah, dass im Pfarrhaus Licht brannte.
    «Sie hieß Lucy Devenish. Hatte dort drüben einen Laden, der hieß Ledwardine Lore. Ist von ihrem Moped gestoßen worden. Umgebracht. Auf der Umgehungsstraße.»
    «Und Sie … reden immer noch gern mit ihr?»
    «Hören Sie», sagte Jane, «wenn Sie das beste Morgenlicht erwischen wollen, sollten sie dort durch die Gasse gehen, dann kommen Sie an einen Zaunübertritt zu einem alten

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