Sündenjagd: Deadly Sins 1 - Roman (German Edition)
den Arm.
Ihr Leben war vorbei. Sie war achtzehn, und das hier war die Endstation.
Langsam erhob sie sich von dem kalten Fliesenboden und starrte in den Spiegel, aus dem ihr ein kränkliches Gesicht entgegenblickte – ihr Gesicht. Ihre Haut war blass und passte farblich zu ihrem fast weißen Haar. Sie hatte sich einmal hübsch gefunden – groß, blond, blaue Augen, der Typ Mädchen von nebenan. Sie hatte viele Freundinnen und einen tollen Freund; sie war beliebt. Cheerleaderin, Einserkandidatin, Schulsprecherin, in allem perfekt!
»Berkeley hat mich angenommen!«, sagte sie zu ihrem Spiegelbild.
Doch dann hatte sie über Abby den Hexenzirkel kennengelernt. Es war ihr Wunsch gewesen. Eine geheime Gesellschaft, die in ihr New-Age-Weltbild und zu ihrem Bedürfnis nach einer höheren Bewusstseinsebene passte. Sie konnte mit den religiösen Anschauungen ihrer Eltern nichts anfangen, in deren Mittelpunkt der Mann stand. Dafür war sie einfach zu schlau .
Sie würde ihren eigenen Weg gehen, ihr eigenes Leben führen, ein gesundes, gutes Leben. Sie glaubte an den Leitspruch der Wicca-Religion: Richte keinen Schaden an.
Doch Abby war tot! Es gab böse Geister, Dämonen, die Schmerz wollten. Sie hatte es deutlich gespürt, als sie neben einem von ihnen gestanden hatte; Ari hätte nur ihre Hand ausstrecken müssen, um es zu berühren. Es war zugleich da und auch wieder nicht da gewesen, hatte aus Rauch und aus fester Materie bestanden. Das Ganze war ein Fehler gewesen.
Wie konnte die Göttin nur Teil von etwas sein, das sich so … böse anfühlte?
Sie hatten sie bedroht. Sie beobachtet. Die ganze Zeit, seit sie von den Klippen geflohen waren.
»Wenn du redest, wirst du sterben!«
»Erzähle niemandem davon!«
Doch das hatte sie nicht gekonnt! Sie war kein schlechter Mensch, sie wollte niemandem wehtun; sie hatte einfach nur über die herkömmlichen Religionen hinaus Erfahrungen sammeln, verstehen wollen, wer sie war, warum sie existierte und wie Natur und Mensch in diesem empfindlichen Gleichgewicht miteinander leben können. Sie musste wissen, wo ihr Platz und welches ihre Bestimmung war.
Sie werden dich töten.
Und nun war auch noch Chris, ihr Freund, tot. Seine Eltern am Boden zerstört. Sie war sofort ins Krankenhaus gefahren, als sie es erfahren hatte. Die Ärzte meinten, sein Tod wäre durch ein Gehirnaneurysma verursacht worden.
Doch das stimmte nicht, das wusste Ari. Sie war schuld an seinem Tod. Der Hexenzirkel hatte ihn umgebracht. Sie wusste zwar nicht, wie, aber dass es so war. Denn sie hatte Chris erzählt, was passiert war. Sein Tod konnte kein Zufall sein, hatte sie doch vorgehabt, Fionas Hexenzirkel zu verraten.
Aber wenn die dachten, sein Tod könnte Ari von ihrem Plan
abbringen, dann hatten sie sich getäuscht! Im Gegenteil, ihr brutales Vorgehen bestärkte sie nur in ihrem Entschluss.
Sie zog sich an, ohne vorher zu duschen, packte ihre Sachen zusammen und schlich aus dem Haus. Ihre Eltern würden noch nicht einmal bemerken, dass sie schon weg war. Ihre Mutter lag noch im Bett, und ihr Vater duschte gerade.
Ari wusste, dass sie keine ruhige Minute haben würde, bis sie die Dämonen, an deren Freilassung sie beteiligt gewesen war, wiedergefunden, eingefangen und dorthin zurückgeschickt hätte, wo sie hingehörten.
Sie konnte das wieder in Ordnung bringen! Sie besaß die Macht dazu. Sie spürte sie in sich … Sie hatte die Elemente kontrolliert und das Feuer entfacht! Sie hatte ihren Körper verlassen, war über die Erde hinweggeflogen und hatte erstaunliche Dinge gesehen. Sie konnte die Dämonen finden und wieder einfangen. Sie musste!
Ihr Leben wäre für sie unerträglich, wenn sie diesen Wahnsinn nicht stoppen würde.
Und was, wenn sie scheiterte? Sie verdiente nicht weiterzuleben.
»Wo ist sie hin?«, fragte Anthony Rafe.
Dieser zögerte. »Wir haben letzte Nacht gemeinsam entschieden, Lily Ellis zu retten.«
»Was habt ihr euch dabei gedacht? Wir haben doch auf Verstärkung gewartet!« Anthony ballte seine Hand zur Faust, hielt sich aber zurück, damit auf den Tisch zu schlagen. »Ich wusste, dass Moira mich anlügt!«
»Wir fanden beide, das wäre der richtige Schritt. Wir können nicht warten. Sie wird Lily hierherbringen.«
»Wir wissen nicht, was sie mit dir in den zehn Wochen gemacht haben, und da wolltest du einfach mal so, ohne Schutz, in ihr Revier eindringen?«
Anthonys Schuldgefühle wegen der Dinge, die Rafe im Krankenhaus widerfahren waren, zerrten an
Weitere Kostenlose Bücher