Sündenjagd: Deadly Sins 1 - Roman (German Edition)
Dampf fast spüren. Ein schlurfender Gang – nicht von der zierlichen Lily, von jemand Größerem. Das Tropf-tropf-tropf des Wassers in die Kaffeekanne. Die warme Luft, die durch den Boden drang und nach oben stieg.
Heidekraut. Sein typischer Geruch stieg Moira in die Nase. Bilsenkraut. Häufiger Bestandteil zahlreicher Zaubersprüche
und Beschwörungen, deren Ziele meist schändlich waren. Wermut. Ein weiteres Kraut, das von Hexen vorrangig zum Schutz des Heims eingesetzt wurde. Sie betrat die Küche.
Sie hörte einen dumpfen Schlag von unten. Von unten? Gab es etwa einen Keller? Waren da vielleicht Ratten? Ihr lief es kalt den Rücken hinunter. Sie konnte Nagetiere, egal welcher Art, nicht ausstehen. Sie hatten nichts Erlösendes an sich.
Das Geräusch konnte nicht von einer Ratte stammen, dafür war es zu laut gewesen. Dann hörte Moira ein Schluchzen, ganz weit entfernt. Hätte sie nicht mit jeder Zelle ihres Körpers gelauscht, hätte sie es nicht mitbekommen.
Die Tür zum Keller ging wahrscheinlich von der Küche ab oder befand sich unter der Treppe.
Sie öffnete die einzige Tür in der Küche. Der Geruch von Brot und Konserven stieg ihr in die Nase, und sie wusste, ohne das Licht angemacht zu haben, dass sie vor der Speisekammer stand.
Sie schloss die Tür wieder, ohne ein Geräusch zu verursachen, und ging in den Flur. Die Dusche oben lief immer noch.
In der kleinen Diele, die zur Eingangstür führte, befanden sich zwei Türen: auf der rechten Seite und links unter der Treppe. Der Boden knarrte unter Moiras Füßen, obwohl sie äußerst behutsam auftrat. Wenn das Wasser aufhören würde zu laufen, würde Lilys Mutter das Quietschen der Holzböden bestimmt hören.
Die Tür unter der Treppe war verschlossen.
Moira zog den Dietrich heraus. Das Schloss war zwar moderner, doch sie bekam es trotzdem schnell auf.
Als sie die Tür öffnete, schlug ihr der penetrante Geruch eines Pulvers entgegen – Wermut, Frauenwurzel und etwas, das Moira nicht genau bestimmen konnte –, alles Kräuter, um einen Staub herzustellen, der sowohl vor bösen Geistern als auch vor feindlichen Hexen schützen sollte. Und der eine Person zum
einen gefügig machen, zum anderen vor der Inbesitznahme durch einen Dämon bewahren sollte. Lily würde nicht kämpfen, schreien oder versuchen zu fliehen. Sie würde ruhig sein …
Eine tränenerstickte Stimme drang nach oben. »Mom? Kann ich jetzt wieder hochkommen?«
Eine verängstigte Stimme.
Moira bekreuzigte sich und flüsterte ihr eigenes, besonderes Gebet. »Heiliger Michael, du passt jetzt besser mal auf, was hinter meinem Rücken passiert, und stell mir keine Feinde in den Weg!« Und schnell schob sie hinterher: »Bitte!«
Sie stieg die Holztreppe nach unten. Auf der einen Seite befand sich eine Wand; die andere Seite war offen und auch nicht durch ein Geländer gesichert. Die Treppenstufen knarrten schlimmer als der Boden oben. Der Keller war feucht und modrig.
»Lily«, flüsterte sie in den pechschwarzen Raum hinein. »Ich bin’s, Moira.«
»Geh! Es ist zu gefährlich hier!«
»Ich gehe nicht ohne dich.«
»Es ist zu spät. Meine Mutter …«
»Erzähl mir das später. Los jetzt!«
Schleppend kam Lily auf sie zu.
»Schneller!«
Oben wurde die Dusche abgestellt.
Moira schob das Mädchen vor sich die Treppe hinauf. Schwaches Licht drang vom Flur nach unten, während die Sonne weiter aufging und sich ihren Weg durch den morgendlichen Nebel bahnte.
Lily stolperte, doch Moira schob sie weiter. Lily kannte die Bedeutung des Wortes leise nicht, aber immerhin war sie klein, und das schlug sich auch in ihren Bewegungen nieder. Sie bogen um die Ecke. Moira wusste, dass Elizabeth Ellis oben im ersten Stock am Ende der Treppe stand und horchte. Lilys Mutter
roch die Kräutermischung, deren Duft unbeabsichtigterweise aus dem Keller nach oben gezogen war, als Moira die Tür geöffnet hatte.
Moira schob Lily in die Küche.
Jemand lief die Treppe hinunter.
Moira wies Lily an: »Los, raus hier!«
»Hekate, Beliel und Achiel …«, begann Elizabeth, als sie die beiden sah.
Moira, die nicht die Absicht hatte, Lilys Mutter ihren Zauberspruch zu Ende sagen zu lassen, wirbelte herum und trat diese in den Bauch. Dabei war sie von ihrer Zielgenauigkeit und der Tatsache, sie dort gespürt zu haben, wo sie tatsächlich stand, fast selbst überrascht.
Ohne zu zögern, trat sie noch einmal zu. Das weiße Handtuch, das Lilys Mutter um sich gewickelt hatte, fiel herunter. Moira
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