Sündenjagd: Deadly Sins 1 - Roman (German Edition)
aus den dunklen Tiefen des Ozeans heraufströmende salzige Luft vermischte sich mit dem strengen Geruch von Myrrhe und Moschus und den anderen Düften, die er nicht zuordnen konnte. Die Gestalten, die die Kerzen hielten, trugen
weiße Umhänge, die in dem wechselnden Licht des Mondes leuchteten.
Ein Hexenzirkel.
Denk nicht nach, tu einfach nur etwas, denk nicht nach, tu etwas, still, still, still, sie werden mich nicht sehen, lass sie mich nicht sehen …
Rafe war sich nicht darüber im Klaren, woher er wusste, was der Hexenzirkel gerade tat, aber als er sich ihm näherte, begriff er alles, als ob er es schon immer gewusste hätte. Als er aber versuchte, sich auf einzelne Gedanken zu konzentrieren, verschwanden diese, so wie eine bruchstückhafte Erinnerung an einen alten Freund oder mutmaßlichen Feind. Du kennst, du kennst sie, aber du kannst dich nicht an das Wo, Warum oder Wann erinnern.
Er musste sein Wissen nicht hinterfragen, er musste einfach nur die Wahrheit akzeptieren: Dieser Hexenzirkel beschwor gerade Dämonen herauf und opferte dafür Mädchen auf dem Altar.
Keines der Mädchen würde diesen Abend überleben. Da war er sich sicher.
Rafe gestand sich ein, wie töricht sein Plan war – ein geschwächter Mann gegen ein Dutzend Hexen. Wie lange hatte er geschlafen? Wie lange war er in dem Krankenhaus gewesen, wissend, dass die Zeit verstrich, aber nicht wissend, warum?
Schmerzhafte Erinnerungen schossen ihm durch den Kopf. Er schob die blutgetränkte Hilflosigkeit seiner Vergangenheit beiseite … Er hatte die Hexen nicht aufhalten können, als er körperlich und geistig noch stark gewesen war; wie sollte ihm dies heute Nacht gelingen, wo er schwach und voller Zweifel war? Er würde bei einer solchen Auseinandersetzung nur sterben.
Er verdiente es zu sterben. Vielleicht barg dieser Kampf eine Bedeutung. Ob durch seinen Tod jemand gerettet werden würde,
wusste er nicht, aber er würde ihm sowohl Frieden bringen als auch den ständigen Schmerz stillen, genauso wie den Druck und die quälenden Erinnerungen an seine ermordeten Freunde von ihm nehmen. Er hatte die Priester, die nach Vergebung und Heilung in der Mission in Santa Louisa de los Padres gesucht hatten, schützen sollen; stattdessen waren sie durch seine Blindheit einem Gemetzel ausgeliefert worden.
Woher weißt du, was sie dort gerade tun, Raphael?
Rafe schob die Frage beiseite. Das übermächtige, drängende Gefühl zur Eile ließ ihn schneller gehen, bis er lief und kurz darauf am Rand ihres Kreises stand. Obwohl sich die Dämonenfalle in der Mitte einer Lichtung befand, waren die Hexen so in ihr Ritual vertieft, dass sie ihn durch den Nebel und Rauch anfänglich nicht bemerkten.
Die Hohepriesterin, deren dunkelrotes Haar im Schein des Lichts leuchtete, hielt eine Schale über ein nacktes Mädchen und sagte:
»Asche zu Asche, Staub zu Staub. So wie Gott die Engel aus dem Nichts erschaffen hat, so befehle ich den Sieben, aus dem Tor aufzusteigen, das ich geöffnet habe. Im Namen von Barbiel, Azza und Mammon; im Namen von Moloch, Olivier und Samael; im Namen von Beelzebub und all den Gefallenen: Dringt hindurch durch das Schlüsselloch, und unterwerft euch meinem Befehl!«
Der Körper des nackten Mädchens begann krampfartig zu zucken, und eine Frau mit einer Kapuze über dem Kopf, die neben der Hohen Priesterin stand, hielt einen Dolch über sie, als wollte sie einen Angriff abwehren. Die Frau mit der Kapuze kam Rafe bekannt vor … Aber er konnte sich nicht auf ihr Gesicht konzentrieren, da die Erde zu beben anfing, ein Knurren, das eine Urangst in seinem Herzen auslöste und all seine Sinne aufhorchen ließ.
Das Mädchen erhob sich durch unsichtbare Kräfte, während
es sich krümmte. Das Mädchen neben ihr in dem weißen Umhang war still, und zuerst dachte Rafe, sie wäre tot, doch dann bewegten ihre Augen sich in ihrem vor Angst verzerrten Gesicht. Sie wollte nicht geopfert werden.
Schütze die Arca …
Ein ohrenbetäubendes dröhnendes Geräusch erfüllte den Kreis, und das nackte Mädchen schrie und krümmte sich, während schwarzer Rauch um es herum vom Boden aufstieg und wie ein Orkan über den Hexenzirkel wirbelte. Blitze zuckten, dabei stürzten amorphe Dämonen hinab und stießen zusammen. Die sechs Hexen in dem Doppelkreis und die eine in der Mitte sangen, während die herumwirbelnden verschreckt schreienden Dämonen gegen ihren Willen in den Doppelring gezogen wurden, bis sie auseinandergerissen und voneinander
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