Sündenkreis: Thriller (German Edition)
bemühe mich; ich bemühe mich sehr , aber es gelingt mir nicht immer. Auch ich habe Schuld auf mich geladen.«
»Wer ist denn schon frei von Sünde?« Das war eine Floskel, sicher. Es wurde Zeit, ein bisschen auf den Busch zu klopfen, damit der Mann mit dem Grund herausrückte, warum er sie angerufen hatte. »Und dann haben Sie irgendwann gemerkt, dass da etwas nicht stimmt?«
»Eigentlich geht es nicht um mich.« Frieder Wörth holte tief Luft. »Ich mache mir Sorgen um Marcel.«
»Ihren Sohn.«
»Seit Susann uns im Stich gelassen hat, war es schwierig.«
»Das verstehe ich. Ihre Frau hat die Gemeinschaft verlassen?«
»Ja. Sie lebt jetzt mit einem anderen Mann in Halle. Wir haben keinen Kontakt zu ihr. Sie ist eine Ehebrecherin.«
Lara sah, wie ihr Gegenüber die Fäuste ballte. Er schien noch immer zornig zu sein. »Und seitdem hat sich Ihr Sohn verändert?«
»Ich weiß nicht, ob es da schon angefangen hat. So richtig aufgefallen ist es mir erst vor knapp einem Jahr. Er ist nachts immer aufgewacht und hat geschrien. Seine Leistungen in der Schule sind schlechter geworden. Auch seine Lehrerin hat deswegen schon mit mir gesprochen. Er hat sich zurückgezogen, will nicht mehr mit den anderen spielen, manchmal reagiert er auch aggressiv. Eine Zeitlang wollte er nicht einmal mehr an den Andachten teilnehmen.« Frieder Wörth grub die Zähne in die Unterlippe.
»Haben Sie denn eine andere Erklärung für das veränderte Verhalten Ihres Sohnes außer dem Verlust der Mutter?«
»Nichts Konkretes. Ich glaube, da ist irgendetwas vorgefallen, von dem ich nichts weiß.«
»In der Schule?«
»Nein, das hätten die Lehrer doch bemerkt, oder? Da Marcel seine restliche Zeit mit mir und den Gefährten in der Gemeinde verbringt, muss die Ursache hier zu finden sein. Obwohl …« Jetzt rang er wieder die Hände. »Vorstellen kann ich mir das nicht.«
Lara nickte. Das war verständlich. Der Mann hatte viele Jahre lang in der abgeschotteten Gruppe gelebt. So, wie er das Zusammenleben vorhin geschildert hatte, mussten ihm die Kinder des Himmels immer wie eine Bastion gegen die sündige Außenwelt vorgekommen sein. Schwer vorstellbar, dass gerade hier etwas geschah, das Kindern Schaden zufügte. Und was konnte es sein, das dem kleinen Marcel so zu schaffen machte? »Wie kann gerade ich Ihnen denn jetzt konkret helfen?«
»Ich glaube, wir brauchen professionelle Hilfe. Leider kenne ich nicht so viele Leute von außerhalb. Die Arbeitskollegen kommen nicht infrage. Von denen halte ich mich fern. Sie sind doch Reporterin und haben bestimmt eine Menge Kontakte. Ich denke auch darüber nach, die Gemeinschaft zu verlassen. Das würde jedoch Marcels Problem nicht lösen. Vielleicht liegt es tatsächlich daran, dass Susann einfach verschwunden ist. Ich weiß es nicht. Was würden Sie tun?«
»Für mich hört sich das an, als ob Sie einen erfahrenen Kindertherapeuten brauchen. Solche Leute können herausfinden, was hinter dem veränderten Verhalten steckt. Soll ich mich einmal darum kümmern?« Lara versuchte, dem Mann in die Augen zu sehen, aber er blickte noch immer nicht auf. Frieder Wörth starrte auf seine Schuhe, als gäbe es da etwas Spannendes zu entdecken. Dachte er über ihr Angebot nach? Ein tiefes Schnaufen kündigte an, dass der Mann zu einer Entscheidung gekommen war. »Na gut. Wir müssen sehen, dass wir Zeit dafür finden. Wer wäre das denn?«
»Ich muss mich erst erkundigen, wer hier in Leipzig in dem Tätigkeitsfeld arbeitet. Geben Sie mir bis morgen Zeit. Wie kann ich Sie erreichen?« Sie würde Mark fragen, wen von seinen Leipziger Kollegen er für einen solchen Fall empfehlen konnte.
»Rufen Sie im Autohaus an, Ricarda kann Sie dann zu mir durchstellen. Moment.« Frieder Wörth begann, in seiner Tasche zu kramen, und Lara dachte darüber nach, was sein Satz »Wir müssen sehen, dass wir Zeit dafür finden« zu bedeuten hatte. Kontrollierte Romain Holländer, was seine Schäfchen außerhalb taten? Ließ er womöglich außer Wörth auch noch andere Sektenmitglieder beschatten? Vertraute er ihnen nicht? Was wiederum zu der Frage führte, warum ein Kontakt mit Außenstehenden unerwünscht war. Lara nahm den Zettel mit der Telefonnummer entgegen, den Wörth ihr über den Tisch schob, und sah dabei unauffällig auf ihre Armbanduhr. Sie hatten noch zehn Minuten.
»Was glauben Sie, warum Herr Holländer Sie beschatten lässt?«
»D… das … weiß ich nicht.« Sie hatte ihn auf dem falschen Fuß
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