Sündenkreis: Thriller (German Edition)
während die Ältere nun ebenfalls den Kopf schüttelte.
»Haben Sie ein paar Kleidungsstücke für meinen Kollegen? Wir wissen nicht, wo Herr Holländer Jos Sachen versteckt hat.« Lara hörte ihr Handy mehrmals piepsen. »Egal, was Sie davon halten, bringen Sie uns doch bitte etwas anzuziehen.« Lara führte Jo, der inzwischen zu zittern begonnen hatte, zu einer Bank im Eingangsbereich und drückte ihn nieder. Die Alte gab der Jüngeren ein Zeichen, und diese huschte davon. Der Notarzt, der die Unterhaltung völlig ignoriert hatte, gab dem Sektenführer unterdessen eine Spritze und sah dann zu seinem Kollegen. »Wahrscheinlich Gehirnerschütterung. Er ist stabil, aber wir müssen uns den Schädel genauer anschauen.«
»Uniklinik?« Der Kollege hatte schon sein Mobiltelefon gezückt und sprach hinein. Erst jetzt bemerkte der Notarzt den halbnackten, zitternden Mann auf der Holzbank und zeigte auf ihn. »Was hat er?«
»Mir fehlt nichts!« Jo klang müde.
Lara fühlte ihren Zorn zurückkommen. Es war genug des Heldentums. »Vielleicht können Sie sich ihn einmal anschauen. Er war zwei Tage im Keller eingesperrt.« Sie trat zwei Schritte vor. Hinter ihr protestierte Jo. »Ich bin nur ein wenig dehydriert. Ich trinke etwas, dann geht es schon wieder.«
»Am Hinterkopf hat er eine Platzwunde.« Lara deutete anklagend auf ihren Freund. Die junge Frau kam mit einem Armvoll Kleidungsstücke, warf sie hastig neben Jo auf die Bank und wich sofort zurück, als fürchte sie sich vor dessen Nacktheit. »Lassen Sie mal sehen.« Der Notarzt näherte sich Jo und deutete dabei auf einen dritten Mann, der mit einer Trage zur Tür hereinkam. »Ihr bringt inzwischen den Verletzten in den Krankenwagen.«
Wieder piepte Laras Handy. Irgendjemand nervte mit Kurznachrichten. Sie beobachtete, wie der Notarzt Jos Kopf inspizierte, und zog das Telefon aus der Tasche. Vier SMS , alle von Mark. Die letzte lautete: »Hab die Pol informiert. Melde dich, wenn du kannst.«
Der Arzt war fertig. »Sie sollten mit ins Krankenhaus kommen. Das ist eine ziemlich große Wunde. Auch, wenn alles schon verschorft ist, das müssen die sich noch einmal ansehen. Ich empfehle, das zu röntgen.« Jo schlüpfte in die Hosenbeine einer Jeans. Romain Holländer wurde hinausgetragen. »Nehmen Sie das nicht auf die leichte Schulter.«
»Fahr doch mit, lass dich untersuchen. Bitte.« Jetzt klingelte Laras Handy, und sie drückte ohne hinzusehen auf »Auflegen«. Jo wurstelte sich einen Pullover über den Kopf und stöhnte dabei leise. »Kann ich bitte erst etwas trinken? Und auf die Toilette müsste ich auch.« Vorsichtig erhob er sich. Lara, die ihre Hand schon ausgestreckt hatte, um ihn zu stützen, zog sie schnell wieder zurück, als sie seinen grimmigen Gesichtsausdruck sah.
»Da drüben, die kleine Tür.« Die ältere Frau zeigte hinüber und ging dann nach rechts. »Ich hole Ihnen ein Wasser.«
Der Arzt hob Zeige- und Mittelfinger. »Zwei Minuten. Wir warten draußen.«
Fünf Minuten später war der Spuk vorbei. Jo hatte noch gemurmelt: »Such meine Sachen bitte. Tasche, Fotoausrüstung, Klamotten.« Dann war er hinausgegangen. Oder besser gesagt, geschwankt. Lara war froh, dass der Krankenwagen ihn mitgenommen hatte.
Zu viert standen sie in der Eingangshalle der Villa und sahen sich an. Nur der unregelmäßig geformte Blutfleck und die getrockneten Rinnsale zwischen den Fugen erinnerten daran, dass hier eben noch ein bewusstloser Mann gelegen hatte. Langsam ging Lara zu der Holzbank und ließ sich vorsichtig darauf nieder. »Hätten Sie auch ein Wasser für mich?«
Die junge Frau nickte und verschwand nach rechts.
»Was ist hier eigentlich passiert?«
Die beiden älteren Frauen, die noch immer wie geschnitzte Figuren nebeneinanderstanden, sahen sich an.
»So reden Sie schon. Es kommt doch eh heraus.«
»Das war Frieder.« Die Ältere, die schon die ganze Zeit das Heft in der Hand gehabt hatte, wies anklagend auf den Blutfleck.
»Frieder Wörth?« Dankbar nahm Lara das Glas entgegen und leerte es auf einen Zug. Ihr war gar nicht bewusst gewesen, welchen Durst sie hatte.
»Er ist hier reingestürmt und hat den Prinzipal angeschrien.« Die Frau rang die Hände. »Sarah hat es gesehen.« Das Mädchen, das Lara das Wasser gebracht hatte, nickte stumm.
»Ich war gerade oben und konnte nicht so schnell herunterlaufen. Frieder ist mit den Fäusten auf Romain los. ›Du Schwein‹, hat er gerufen. Und: ›Das wirst du büßen!‹ Romain ist gestolpert
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